Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
ihr: als hätten sich alle dort befindlichen Knoten gelöst. „Keine Näherinnen. Für die anderen Roben werde ich eine Materialienliste anfertigen. Sechs Monate habe ich, sagt Ihr? Ich habe nichts anderes zu tun.”
    Er starrte sie an, ziemlich außer Fassung. „Willst du Fragen zu deinem Bräutigam stellen?”
    „Könnte ich ihn ablehnen, wenn es mir nicht zusagt, was ich höre?”
    „Nein.«
    „Was hätte es also für einen Sinn? Ist das alles?”
    „Ja.” Er entfernte sich von ihr, trat ans Fenster und starrte wieder hinaus. Über die Schulter hinweg sagte er: „Du kannst jetzt gehen.”
    Und sie ging, jetzt offen lächelnd, da sie wußte, daß sie ihren Vater verblüfft hatte und daß ihm nicht gefiel, was ihm durch die Umstände und sein eigenes Ränkespiel aufgezwungen worden war.
    Ihre Weigerung, Fragen zu stellen, gab ihr eine tiefe Befriedigung.
    Meine Metis, manchmal ist dieses Schreiben fast, wie mit dir zu reden, es verringert den Druck der Leidenschaften, der sich in miraußaut, erleichtert meinen Kummer, meinen Zorn, meine Angst.
    Mit dir zu reden, zu bekennen, deine Vergebung zu erbitten für den Schmerz, den ich dir zugefügt habe, für den Schmerz in den letzten Monaten deines Lebens, als ich dich haßte und dich schmähte und dich vermißte und jede Qual mit dir erduldete. Als ich nichts begriffen und doch alles gefühlt habe. Mich selbst akzeptieren - ah, ich kann dich hören, mein Geist. Ich kann hören, wie du mich für all dies hier schimpfst, me-me-me. Ich brauche dich - nur du kannst mich zum Lachen bringen und mich aus meinen Unmäßigkeiten vertreiben. Acthon kann es nicht, oder er will es nicht können.
    Kleine Schwester. Als wir 14 waren, ließ Vater sie in seine Gemächer bringen und machte sie zu seiner Mätresse. Sie hatte dabei noch weniger zu sagen als ich zu meiner Heirat. Du, Metis, du warst so zornig, nie habe ich dich so zornig gesehen, doch hast du trotzdem die Zeit erübrigt, Acthon zu besänftigen, ihm zu helfen, mit seinem Zorn fertig zu werden, damit er sich nicht ins Verderben stürzte, hast du trotzdem die Zeit gefunden, mich zu trösten und mir zu helfen, meine Eifersucht und meinen Schmerz und die Wut zu bewältigen, von der ich glaubte, sie werde mich zu Asche verbrennen.
    Ich habe sie gesehen - draußen, im Garten vor Vaters Schlafgemach. Sie saß im kühlen, grünen Gras, ihr zarter Kopf war ein dunkler Schattenriß gegen die hellen Blätter der Weide, ihr weißes Gewand leuchtete vor den roten und gelben Tulpen hinter ihr. Vater lag ausgestreckt im Gras und lächelte zu ihr empor, seine Haare ein wenig durcheinander, die Jacke stand über seiner harten, flachen Brust offen. Er lächelte sie zärtlich an. Nie habe ich solche Offenheit in seinem Gesicht gesehen, nie habe ich seine Augen mit solcher Zufriedenheit strahlen sehen.
    Ich stand am Guckloch und spähte durch die staubigen Blätter der Mauerpflanze hinaus. Ich stand dort, ich weiß nicht mehr, wie lange, bis er sich abrupt bewegte, sein Gesicht auf ihre Oberschenkel preßte, die Hände über ihre Hüften gleiten ließ. Ich stand da, und Tränen durchschnitten den Staub auf meinem Gesicht, bis ich wußte, daß ich mich verraten würde, wenn ich nicht ging.
    Du weißt, meine Metis, wie ich zu dir eilte und dich auf den Teppich herunterzog, mein Gesicht auf deine Oberschenkel preßte und die Arme fest um deine Hüften klammerte. Du weißt, wie ich bebte und schluchzte, während du herauszufinden versucht hast, was mich denn so aufwühlte. Und ich weiß um deinen Zorn, als ich es dir sagte. Kleine Schwester in den Armen meines Vaters.
    Die Stiefmutter starb bei der Geburt eines weiteren Sohnes. Das Kind war kräftig und gesund, doch die Hände und Füße wuchsen direkt aus seinem Rumpf. Es hatte keine Arme und Beine. Man ließ die Mutter sterben und rettete das Kind und bemerkte erst später, daß es entstellt war. Doch als sie die Mißbildungen sahen, beseitigten sie das Neugeborene mit forscher Tüchtigkeit. Vater ging umher und schaute grimmig drein - ich glaube nicht, daß er um die Stiefmutter trauerte, sondern wohl hauptsächlich um sein entstelltes Kind. Grimmig schaute er drein, und wenn man ihn kannte, besorgt
    - besorgt, weil ihm klargeworden war, daß ihn diese Welt schließlich doch erwischt hatte, trotz seiner ständigen und sorgfältigen Vorsichtsmaßnahmen. Er verreiste außerwelts, ließ Tests vornehmen, und als er zurückkehrte, sah er noch grimmiger aus als zuvor.
    Er erklärte nicht,

Weitere Kostenlose Bücher