Geisterjagd
Spielerverstand ist bei mir ausgeprägter als bei Acthon. Vielleicht konnte ich aber auch nur deshalb deutlicher sehen, wie man andere benutzt, weil ich derma
ßen wenige von den Menschen kenne, die ich so eifersüchtig für mich selbst beanspruche, so viel weniger als er, der zu viele von ihnen liebt. Wie Metis konnte auch er von seinem Herz verraten werden. Und ich kann mich in Vaters Verstand hineindenken und Abwehrmaßnahmen für seine Pläne ersinnen. An der Planung jener ersten Überfälle auf die Schatz-Züge hatte ich einen guten Anteil Mit jedem neuen Angriffmußte die Methode geändert werden, da sich Vater gegen die zuvor angewandten wappnete. Beim ersten Mal haben sie Erdlilienklumpen mit Wasser vermengt und den Matsch auf das Gleis geschmiert und trocknen lassen. Das Containerprojektil bockte und kreischte und zitterte und sprang aus der Schiene.
Gewaltsam öffneten die Rebellen den Container, teilten die Barren unter sich auf und verschwanden im Gestrüpp, wobei keine zwei von ihnen dieselbe Richtung einschlugen. Sie ritten auf Purpurkühen, mächtigen, gehörnten Herdentieren mit geflecktem purpurnen Fell und sanften roten Augen. Mit ihren langen, dünnen Beinen konnten sie eine überraschende Laufgeschwindigkeit vorlegen, und dies sogar über eine ziemlich lange Strecke hinweg. Die Tiere liebten es, hinter den warzigen Auswüchsen gekratzt zu werden, die ihnen als Ohren dienten, und sie waren von einer milden, sanftmütigen Haltung gegenüber anderen Lebensformen ausgezeichnet, auch eine Facette von Elfs Talent, eine Art, Zuneigung zu binden. Wie intelligent sie sind, das ist ein Thema, über das die Bewohner oft Mutmaßungen anstellen; das weiß ich von Acthon.
Ich habe oft darüber nachgedacht, wie es da draußen, in der Wildnis, wohl sein mag. Acthon hat mir Geschichten davon erzählt; hat mir erzählt, was er gesehen hat. Ihr Leben ist hart, doch sie scheinen zu gedeihen, sich trotz der Patrouillen meines Vaters ihres Lebens zu erfreuen. Wenn mein Vater und meine Halbbrüder beseitigt sind, gibt es so viele Möglichkeiten, wie ihr Leben verbessert werden kann. Doch es ist gut, daß ich dann nicht mehr hier sein werde, für mich gibt es keinen Platz in ihrem Leben, nicht wie für Acthon, denn ich würde sie nur an die verhaßten Tejed erinnern.
Am Tag unserer Abreise von Liros II wurde ich 20 Jahre alt.
Ich denke: wir rufen den Schmuggler und organisieren die Wildnisbewohner und die Minenarbeiter.
Unsere Angriffe werden rasch immer lästiger.
Vater sieht die Rebellion voraus; er glaubt, diese Angelegenheit auf Liros II allein bewältigen zu können, befürchtet jedoch, von den erfolgreichen Rebellen der anderen Welten der Aghir überwältigt zu werden.
Er überredet die Tejed, auf Cazarit eine Konferenz abzuhalten.
Wir planen, die Tejed auszulöschen.
Ich denke: Gyoll ist ein ebenso schlauer Intrigant wie mein Vater. Er hat diese Folge der Ereignisse geplant.
Er wollte, daß Acthon seinen Platz einnimmt; er wollte, daß ich diesen Punkt erreiche, er wollte, daß ich die Notwendigkeit meines Todessehe. Er wollte, daß Vater die Tejed an einem Ort versammelt, denn die Tejed müssen gemeinsam sterben, sonst ist unsere Rebellion höchstwahrscheinlich zum Untergang verdammt.
Ich denke: Das stimmt und stimmt nicht.
Ich denke: Es spielt keine Rolle.
Metis, du hast Vater gehaßt und verachtet, hast ihn ein wenig gefürchtet, und oh, meine Liebe, du hast ihn wahrhaftig geliebt. Ich war gerade 16 geworden, unverheiratet und unerwünscht, vergessen, wieder zufrieden und beschäftigt und… ich wurde geliebt in meiner kleinen Welt.
Eines Tages, damals wußte ich nicht, warum, ich weiß es noch immer nicht, kam Vater in mein Turmzimmer herauf, statt mich zu sich rufen zu lassen. Vielleicht hatte er sich an Metis erinnert, ich weiß es nicht. An jenem strahlend hellen Nachmittag stand er in der Tür, ohne ein Wort zu sagen. Du hast auf dem Fenstersitz gesessen, und die untergehende Sonne hat dein Haar zu Kupfer gefärbt. Ich saß zu deinen Füßen, mein Kopf ruhte auf der Polsterung des Sitzes.
Als ich ihn erblickte, dachte ich für einen winzigen Sekundenbruchteil daran, ob er mich schließlich doch verkauft hatte, und ich fragte mich, was ich wohl tun würde, wenn dies so war. Ich erhob mich und stand ihm mit gesenktem Blick gegenüber, wartete - wartete -, und als er nicht sprach, schaute ich auf und sah ihn dich anstarren, ein leichtes Lächeln auf seinem eisbleichen Gesicht. Ich wollte ihn
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