Geisterkrieg
freundliches Interesse an mir war schon ungewöhnlich. Ich bin nicht sicher, warum er mich unter seine Fittiche nahm, denn er hat mich rekrutiert, für meine Ausbildung gesorgt und mir den Weg in meine heutige Rolle als Phantomritter gewiesen.
Janella hat zwei Theorien, um es zu erklären, die einander gegenseitig stützen. Erst einmal hatte Victor, als wir uns kennen lernten, relativ kurz hintereinander seinen Sohn Burton und dann auch noch Isis Marik verloren. Die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit muss ihn belastet haben, denn auch Kai Allard-Liao und Hohiro Kurita, beides mächtige Zeitgenossen und enge Freunde, waren ebenfalls gestorben, und er fühlte sich sehr allein. Janella glaubte, Victor habe in mir jemanden gefunden, den er in eine Kraft für das Gute im Universum formen konnte. Ich wurde sein Hobby.
Das Problem dabei war jedoch: Victor hatte wirklich keine Zeit für Hobbys. Seine Pflichten als Paladin hielten ihn ständig auf Trab. Sein Ruf in der Inneren Sphäre war so gewaltig, dass es beinahe genügte, wenn er irgendwo auftauchte, um Krisensituationen beizulegen. Im Laufe seines langen Lebens hatte er so viel darüber gelernt, was Menschen antreibt, dass er ihre Wünsche und Schwächen erkennen und gegeneinander ausspielen konnte, um Probleme zu lösen.
Ihre zweite Theorie postuliert, dass ich ihn an jemanden aus seiner Vergangenheit erinnere. Dass ich ihn an sein früheres Ich erinnern könnte, haben wir beide verworfen, da wir uns nach Wesen und Hintergrund völlig unterscheiden. Von Zeit zu Zeit haben wir nach möglichen Kandidaten gesucht, ohne zu einem Ergebnis zu kommen, bis Janella eine Geschichte über Phelan Kell und darüber fand, wie er aus dem Nagelring auf Tharkad flog. Was er sich geleistet hatte, um von der Akademie zu fliegen, ähnelte der Art, wie ich Victors Aufmerksamkeit erregte - nur hatte Phelan sich mit Eis beschäftigt, und ich mit Feuer.
Phelan war später zu den Clans gestoßen und hatte den Wolfsclan nach Arc-Royal ins Exil geführt. Es hatte einige Spannungen zwischen ihm und Victor gegeben, die sich später legten, als sie den Clankrieg gemeinsam und für immer beendeten. Die Vorstellung, Victor könnte in mir jemanden gesehen haben, der genau wie Phelan ausbrechen konnte, und gehandelt hatte, um meine Energie in konstruktivere Bahnen zu lenken, hatte etwas für sich.
Und ich hatte das Glück, dass sich zwischen uns echte Zuneigung entwickelte.
Nach der Mahlzeit nahm Victor mich aus dem Esszimmer in einen kleinen Salon mit. Dort reichten uns dienstbare Geister Schwenker, die großzügig mit Weinbrand gefüllt waren. Er entspannte auf seinem Lieblingsplatz - in einem großen Ledersessel, der das Ideal verkörperte, das meine Sessel anstrebten - und begann langsam ein neues Gespräch. Seine grauen Augen schauten weniger in unbestimmte Fernen, vielmehr wurde ihr Blick ruhiger, und etwas von der Müdigkeit in ihnen verblasste.
»Es fällt mir schwer, Mason, diesen Angriff auf die Republik mit anzusehen, ohne zu wissen, wer dahinter steckt oder was er beabsichtigt. Könnten wir den Feind identifizieren, so könnten wir das
Volk zu einem Krieg aufrufen, um ihn zu vernichten. Aber so stellt sich das Problem, dass sich jeder seinen eigenen Buhmann sucht, den er für unsere Schwierigkeiten verantwortlich macht, genau wie es deine Freunde auf Helen getan haben. Wir können nicht gegen Schatten kämpfen - und wir haben nicht einmal die. Und es schmerzt, mit ansehen zu müssen, wie Stones Lebenswerk unterzugehen droht.« Victor schwenkte die dunkle Flüssigkeit in seinem Glas und sog ihr Aroma ein. »Habe ich dir je von meiner ersten Begegnung mit Devlin Stone erzählt?«
»Nein, mein Fürst. Ich habe nur in Biographien davon gelesen.«
Ohne die Augen von seinem Brandy zu nehmen, lächelte er. »Nicht eine von ihnen hat es so dargestellt, wie es sich tatsächlich begab. Ich war auf Tukayyid, als Präzentor Martialum. Ich tat alles, was in meiner Macht stand, um Blakes Wort zu widerstehen, aber genau wie heute herrschte Verwirrung, und es war furchtbar schwierig, alles zu koordinieren. Es strömten nicht nur viel zu viele Informationen auf uns ein, die Hälfte davon war blanker Müll. Zu Hause war Jade gerade dreieinhalb Jahre alt, und die Zwillinge kaum ein Jahr.
Es war das pure Chaos. Kais Sohn, David, war verschwunden, als Blakes Wort '67 angriff, und bis Ende '71 hatten wir nichts mehr von ihm gehört. Ich hielt es erst für eine der Blakisten-Falschmeldungen, weil es
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