Geisterkrieg
verschwendet. Ich weiß nicht, wie viel Janella dir erzählen konnte, denn es gibt manches, was wir noch nicht wussten, als sie aufbrach, und es gibt eine Menge Informationen, die wir zurückhalten. Es wäre entsetzlich, sollten sie bekannt werden. Die Panik allein würde irreparable Schäden anrichten. Wir vermuten, dass der Feind genau das beabsichtigt.«
Ich nickte. »Irgendein Hinweis darauf, wer es ist?«
»Leider nein. Eine der vorherrschenden Theorien ist ein erneuter Angriff von Blakes Wort, aber Stone hat es denen gründlich gezeigt. Wir wissen, dass es in der ehemaligen Liga Freier Welten noch ein paar Widerstandsnester gibt, aber die gläubigen Blakisten werden uns so schnell keinen Ärger mehr machen. Sie haben ihre eigenen Gesellschaften dermaßen enttechnologisiert, dass sie kaum über Steinzeitniveau hinauskommen. Sie sind auf der Suche nach einer neuen Form von Technologie, die gleichzeitig befreiend und erhebend ist, aber den größten Teil ihrer Zeit verbringen sie im Kampf gegen Krankheit und Insekten, die ihre Ernte auffressen.«
Ich trank und ließ den Whiskey langsam die Kehle hinabrinnen. »Wer dann, wenn sie es nicht sind? Der Frieden hat allen geholfen. Ich weiß, der Fürst der Konföderation Capella bellt Revolutionsparolen, aber der knurrt nur zahnlos.«
Victors Blick wurde hart. »Daoshen Liao sollte man auf keinen Fall unterschätzen. Er ist ohne Zweifel klüger, als sein Vater es war, und dazu gezeichnet vom Wahnsinn seiner Tante. Er hat mit Stone eine Vereinbarung ausgehandelt, die ihm gestattete, seine Würde und eine Illusion von Macht aufrecht zu erhalten. Das Problem ist, dass Daoshen mit Illusionen hausiert und in den letzten zwanzig Jahren viel getan hat, um seinen Ruf der Unbesiegbarkeit wiederherzustellen. Es erreichen uns kaum Berichte aus der KonCap, doch es scheint, der Zusammenbruch des Netzes habe ihm eine Gelegenheit geliefert, mit seinen Feinden abzurechnen und seine Macht zu festigen.« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Andererseits verfügt unseres besten Wissens nach keiner der Nachfolgerstaaten über die Truppen und Schiffe, die für die Angriffe nötig gewesen wären, unter denen das Netz kollabiert ist. Schlimmer noch, nach den Angriffen haben sie sich zurückgezogen. Ich vermute, sie haben damit gerechnet, dass alte Feindschaften wieder ausbrechen, und sind bereit zu warten, während wir uns gegenseitig zerfleischen, um dann zuzuschlagen und die Macht zu übernehmen.«
Meine Eingeweide verknoteten sich und ich stellte das Glas ab. »Dann war das, was ich auf Helen beobachtet habe, noch ziemlich harmlos?«
»Wie ein Streichholz im Vergleich zu einer Supernova, Mason.« Victor kippte den Rest seines Whiskeys. »Die Innere Sphäre glüht, und wenn es uns nicht rechtzeitig gelingt, die Brandherde zu isolieren, geht sie in Flammen auf und alles ist verloren.«
Es sei all dies gemacht aus Glaube und aus Dienstbarkeit... Es sei all dies gemacht aus Fantasie.
- Shakespeare
Rittersaal, Santa Fe, Nordamerika, Terra Präfektur X, Republik der Sphäre
8. Dezember 3132
Ich stand auf. Die Whiskeyflasche befand sich genau da, wo ich sie immer aufbewahrte. Ich kehrte zum Kamin zurück und schenkte ihm nach.
Er lächelte zu mir hoch. »Meine Ärzte würden mir erklären, dass mir das überhaupt nicht bekommt, aber ich habe schon einige Mediziner überlebt. Mein Vetter Morgan trank jeden Abend ein Glas Scotch vor dem Einschlafen.«
Ich schaute auf die Uhr. »Ganz so spät ist es noch nicht, mein Fürst.«
»Ich schlafe ohnehin kaum noch.« Er seufzte schwer, und ich sah, wie die Last der Ereignisse ihn drückte. Ohne Zweifel erschöpfte die Belastung durch den Zusammenbruch des Kommunikationsnetzes alle Beteiligten, aber Victor schien er zu ermüden. Er hatte in seinem Leben ein mutmaßlich ewiges Auf und Ab von Krieg und Frieden erlebt, aber dann war es gelungen, diesen nur scheinbar naturgegebenen Kreislauf zu durchbrechen. Stones Reformation hatte ein ungeahntes Zeitalter des Friedens eingeläutet, und er mochte geglaubt haben, im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen friedlich aus der Welt scheiden zu können.
Aber so müde er auch war, Victor Steiner-Davion besaß doch einen scharfen Intellekt und ungestillten Wissensdurst. Michaels hatte in seiner Biographie die Vermutung geäußert, Victors größte Stärke sei seine Lernfähigkeit gewesen. Bei seiner ersten Konfrontation mit der Verantwortung hatte er sich auf eine Ausbildung zum Soldaten gestützt, doch er
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