Geisterkrieg
hieß, David wäre Teil einer Gruppe von Kriegern, die Kittery aus der Hand der Blakisten befreit hätte. Ich reichte die Information nur zögernd an Kai weiter, doch mit zunehmenden Meldungen aus dieser Region wurde auch David immer häufiger erwähnt. Sämtliche Berichte konzentrierten sich auf einen Mann namens Devlin Stone, aber ComStar hatte absolut keine Informationen über ihn, und wenn ComStar zu jener Zeit keine Informationen hatte ...«
»Gab es keine.«
»So ist es. Nun, Anfang '73 erreichten uns weitere Nachrichten über Stone. Offenbar hatte er eine Reihe von Systemen rund um Kit-tery befreit und eine >Präfektur< errichtet. Jetzt musst du wissen, dass ich den Mann sofort für eine Art Banditenkönig hielt, der sein eigenes Haus errichten wollte. Aber dann erzählte mir Kai, dass er von David gehört hatte und dass der in höchsten Tönen von Stone schwärmte. Er reichte mir Informationen über die Kittery-Präfektur weiter und das sah alles hervorragend aus. Ich war mir sicher, dass es nur Propaganda war.«
Victor trank einen Schluck Brandy, dann schaute er mich direkt an. »Die Geschichtsbücher, die du gelesen hast, singen alle Stones Loblied, aber damals verfügten wir über keine dieser Informationen. Wir hatten nur die eine Information, dass da jemand Anspruch auf eine Reihe von Systemen erhob und sie zu einer autarken Einheit verschmolzen hatte. Er erreichte etwas, wozu keine Regierung fähig gewesen war. Er trat dabei einigen Leuten auf die Zehen, aber es funktionierte. Über David arrangierte Kai ein Treffen zwischen mir und Stone. Stone hielt eine Reise nach Tukayyid für Zeitverschwendung, aber David überredete ihn und im Oktober '73 begegneten wir uns. Er war ein großer Kerl mit dunklem Haar und dunklen Augen - du hast ihn kennen gelernt, aber du hast ihn mit den Augen eines Menschen gesehen, der wusste, was er geleistet hat. Ich stand einem ungezähmten Potenzial gegenüber und wusste, wozu er gezwungen gewesen war, um seine Erfolge zu erreichen. Ich stand einem überaus gefährlichen Menschen gegenüber.«
Mir schauderte. »So habe ich es nie gesehen.«
»Das tun die wenigsten. Ein schmeichelndes Profil auf einer Münze neigt dazu, das Wesen des so Geehrten zu verschleiern. Stone war respektvoll, das will ich ihm zugestehen. Er nahm Platz und erzählte mir, was er tat. Er prahlte weder damit, was er schon erreicht hatte, noch damit, was er noch plante. Er wirkte geradeheraus und offen. Mason, über die Jahre habe ich die verschiedensten Charaktere getroffen, und mit wenigen Ausnahmen wollten sie entweder auf der Stelle als gleichrangig anerkannt werden, oder sie wollten sich bei mir einschmeicheln. In beiden Fällen wollten sie für sich etwas von der Macht, die sie hinter mir vermuteten, sei es zum Guten oder zum Bösen, aber beide Gruppen behandelten mich als Machtquelle, und die meisten hielten die Hand nach einem Eimer auf, um etwas davon abzuschöpfen. Stone war anders. Er erzählte mir einfach, was er tat. Es ging ihm weder um meine Zustimmung noch um meine Hilfe. Er wollte mich nur informieren, damit ich entscheiden konnte, ob ich ihn aufhalten oder ihm den Weg freimachen wollte. Und ich habe beide Möglichkeiten erwogen, denn seine Reformen waren radikal. Er wollte einige der grundlegenden Facetten des Lebens, wie es die Gesellschaft über Jahrhunderte definiert hatte, aufbrechen und ihnen eine neue Gestalt geben. Er wollte weniger aus dem Brunnen der politischen Macht schöpfen, als vielmehr ein Loch daneben graben, die Quelle finden, die ihn speiste, und deren Strom zu einem Fluss gestalten, der die alte Ordnung hinwegspülte.«
Victors Blick wurde hart. »Das war eine erschreckende Vorstellung, und ich hätte mich ihm entgegengestellt, hätte er nicht David Lear als Berater so offensichtlich geschätzt und wären die Änderungen, die er anstrebte, nicht nötig gewesen. Außerdem waren die Verwüstungen durch Blakes Wort so gewaltig, dass die Zivilisation ohne eine Neuordnung zusammengebrochen wäre. Es gab keine Chance mehr, zum Stand der Dinge vor dem Angriff zurückzukehren.«
Ich lächelte und schwenkte meinen Brandy, dessen Duft mir verführerisch in die Nase stieg. »Sie haben sich ihm angeschlossen.«
»Das tat ich. In manchen Geschichtsbüchern steht, ich sei der Erste gewesen, der ihm sein Schwert zu Füßen gelegt und Gefolgschaft geschworen hat. Das stimmt nicht. Die Republik war damals noch ein Traum, und die Schwerter, die zu tragen ich berechtigt war,
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