Geisterreigen
uernhaus tauchte vor ihnen auf. Sein dunkles Dach reichte auf der einen Seite fast bis zur Erde hinunter. Sie hielten vor einem niedrigen Backhäuschen. Timothy sprach davon, daß die Bextons hier schon seit vielen Generationen lebten.
"Sandy ist ihr Enkel", sagte er.
"Sie meinen den Jungen, den wir vorhin gesehen haben?"
"Ja." Dr. Lansing hielt für Diana den Wagenschlag auf. "Seine Eltern sind vor zehn Jahren nach London gezogen, doch Sandy fühlt sich dort nicht wohl. Er verbringt jeden Sommer in Cor nwall."
Ein struppiger Hund sprang kläffend auf sie zu. Kurz vor ihnen stoppte er und ließ sich ausgiebig von dem Tierarzt streicheln. Schließlich wandte er sich Diana zu, die ihm ihre Hand entgege nhielt. Schwanzwedelnd schnüffelte er an ihren Fingern.
"Astor erkennt einen Freund sofort", bemerkte ein alter Mann, der aus der Haustür trat. "Schön, daß Sie noch jemand mitgebracht haben, Timothy." Die Männer reichten sich die Hände. "Eine neue Sprechstundenhilfe?"
"Nein, eine liebe Freundin", erwiderte Timothy und legte für einen Moment den Arm um Dianas Taille. "Miß Rowland, die Erbin von Rowland Castle", stellte er sie vor. "Diana, Arthur Bexton."
"So, Sie sind also Diana Rowland." Der alte Mann trat einen Schritt zurück. "Ich habe bereits von Ihnen gehört. Keine leichte Aufgabe, die Sie sich gestellt haben, Miß Rowland." Er streckte ihr die Hand entgegen. "Jedenfalls wünsche ich Ihnen Glück. Es wird allerhöchste Zeit, daß dieser Spuk ein Ende nimmt."
Diana ergriff seine Hand. Sie spürte, daß Mister Bexton sie mochte. "Ich werde mir jedenfalls große Mühe geben, den Menschen in Alberry zu beweisen, daß auch eine Rowland-Tochter bei ihnen leben kann."
Gemeinsam betraten sie die Küche. "Doktor Lansing ist hier, Maud!" rief Mister Bexton in den angrenzenden Gang. "Er hat noch jemanden mitgebracht. Eine gute Freundin. Also brüh bitte Tee auf."
Keine zwei Minuten später kam eine schmale, weißhaarige Frau in die Küche. Sie wollte etwas zu den beiden Männern sagen, doch das Wort blieb ihr im Hals stecken. Sprachlos starrte sie Diana an.
"Miß Rowland", stellte Mr. Bexton Timothys Begleiterin vor.
"Ich weiß, wer Sie sind, Miß", erwiderte Maud Bexton und bekreuzigte sich. "Vergangene Nacht habe ich Sie im Traum gesehen. Sie sind die Treppen hinaufgestiegen und haben die Tür zum Tod geöffnet. Nur ein Schritt trennte Sie von der Ewigkeit, doch Lucy stellte sich vor Sie, widerstand ihrer Schwester. Sie..."
"Maud, was soll das?" fragte Arthur Bexton ärgerlich. "Wie kannst du unserem Gast derartig Angst einjagen. Deine Träume..."
"Lassen Sie nur, Mister Bexton", fiel ihm Diana ins Wort. "Vergangene Nacht wäre ich wirklich fast in den Tod gestürzt." Sie berührte die Schulter der alten Frau. "Sie haben das Zweite Gesicht, nicht wahr, Mistreß Bexton?"
Die alte Frau erwachte wie aus Trance. "Ja, ich sehe oft Dinge, die dann später eintreffen." Sie blickte zu Boden, hob aber sofort wieder den Kopf. "Ich wollte Sie nicht ängstigen, Miß Rowland. Aber Sie sollten vorsichtig sein. Die Kraft des Fluches ist ung ebrochen."
"Ich kann nicht daran glauben", sagte Diana wider besseres Wissen.
"Es wäre besser, Sie würden es tun", meinte Mrs. Bexton.
"Hör auf mit deinen Geschichten, Maud." Arthur Bextons Stimme klang ärgerlich. "Wir gehen jetzt zu unserer Bess in den Stall und du wirst dafür sorgen, daß nachher Tee und dein St achelbeerkuchen auf dem Tisch stehen." Er wandte sich an Diana: "Mauds Stachelbeerkuchen ist im ganzen Tal berühmt."
"Ja, im Backen macht mir so leicht niemand etwas vor", e rklärte Maud Bexton strahlend.
Sie verließen das Haus. "Sie dürfen meiner Frau ihre verrüc kten Reden nicht übelnehmen, Miß Rowland", bat Arthur Bexton auf dem Weg zu dem Stall, in dem die kranke Kuh stand. "Maud stammt aus einer der Familien, die vor zweihundert Jahren ein Kind verloren haben. Von Generation zu Generation ist es bei ihnen weitergegeben worden, daß sich der Himmel persönlich an den Rowlands rächen wird."
"Als ich nach Rowland Castle kam, habe ich nicht an Mary's Fluch geglaubt, aber langsam fange ich an, mich zu fragen, ob nicht wirklich etwas dran ist", gestand die junge Frau. "Ihre Frau sah mich die Turmtreppe hinaufgehen. Sie sah Lucy. Wie kann..." Sie hob die Schultern. "Es ist wichtig, daß ich die Gebeine der Kinder finde."
Mauds Worte hatten Timothy Lansing nachdenklich gemacht. Er wußte zwar, daß Mrs. Bexton die Gabe hatte, oft Dinge zu sehen, die
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