Geisterstunde in Los Angeles
diese Experimente waren.
So warteten sie noch ab.
Allerdings wußten sie, daß sie schon einmal gelebt hatten. Vor einigen hundert Jahren und komischerweise ebenfalls als Zwillinge. Nur in einem anderen Land, in Europa, der Alten Welt, wo damals ein schrecklicher Krieg tobte. Da waren sie bei einem Fürsten angestellt gewesen und hatten ihm zu Willen und zu Diensten sein müssen. Gestorben waren sie nach einem Überfall. Marodierende Soldaten hatten das Schloß des Königs kurzerhand in Brand gesteckt, ohne zu wissen, daß sich die beiden Mädchen darin befanden.
In langen Gesprächen und mit Hilfe der Hypnose waren sie gemeinsam in diese Zeit zurückgeführt worden und hatten die Qualen noch einmal durchlitten.
Danach fühlten sie sich besser, befreiter, denn sie gehörten nun zu den Wissenden.
Wenn sie einmal starben, war dies nicht endgültig, sie würden wiedergeboren werden, vielleicht auf höherer Stufe.
»Fahren wir?« fragte Linda.
Patty atmete tief durch. Sie hob die Arme und reckte sich. Dabei kniff sie die Augen zusammen, stöhnte wohlig und rieb ihren Rücken gegen den ihrer Schwester. »Weißt du, ich möchte für immer hier sitzenbleiben und die Stimmen einer anderen Welt hören. Irgendwann, so schwöre ich dir, wird man Kontakt aufnehmen…«
»Wer weiß…«
»Doch, Linda, doch.« Patty sprang hoch und deutete in die Runde.
»Schau dich um, sieh dir die Landschaft an. Viele sagen, sie sei tot. Nein, sie lebt, nur die Unwissenden sind tot. Sie haben keine Ahnung von der Welt, in der sie leben. Diese Narren.«
Linda legte eine Hand auf die Schulter ihrer Schwester. »Es dauert eben noch eine Weile, bis diese Erkenntnis zu allen Menschen durchgedrungen ist. Verstehst du?«
»Ja, ich hoffe.«
»Komm, wir fahren.«
Der Wagen stand in der Nähe. Gelbbrauner Wüstenstaub hatte eine Schicht auf die Karosserie gelegt. Am Himmel senkte sich die Sonne dem Horizont entgegen. Noch einmal gab sie ihre Kraft ab und verwandelte den Himmel in ein Flammenmeer. Dieses Naturschauspiel ließen sich die beiden Stuntgirls nicht entgehen. Es war für sie eine Oase der Kraft. Da sahen sie Dinge, die von keiner Menschenhand geführt oder geleitet wurden.
Diesmal fuhr Linda. Wesentlich langsamer rollte sie den Flügel hinab. Staubwolken begleiteten den Wagen. Sie veränderten die Sichtverhältnisse. Wenn beide Mädchen in die Sonne schauten, hatten sie den Eindruck, in einen roten Nebel zu blicken.
»Sollen wir noch irgendwo etwas trinken?« fragte Patty.
»Ja, bei Cramer's.«
»Okay.«
Cramer's war ein Saftladen. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes. Er schenkte keinen Alkohol aus, statt dessen trank man bei ihm die frischen Säfte, konnte sich auch den Magen mit Rohkost füllen oder ein Müsli zu sich nehmen.
Sie nahmen stets einen anderen Rückweg. Es gab da keine direkte Straße, doch der Jeep schaffte auch die Pisten und Steinfelder zwischen den Tälern.
Besonders interessant wurde es bei den gewaltigen Kakteengärten. Da war es eine regelrechte Slalomstrecke, durch die sie kurvten. Hier konnten sie ihr Können beweisen und auch für ihren Job trainieren. Schon bald lag das Tal vor ihnen. Ein gewaltiges Gebiet, in dem die Kakteen unterschiedlich hoch wuchsen. Sie sahen aus wie grünbraune Bäume mit verschieden hohen Armen. Manche erinnerten sie auch an Menschen, die man in die Wüste gestellt und sie irgendwann vergessen hatte.
Linda lächelte hart, als das Feld vor ihnen lag. Beide kannten es gut. Aus der Ferne betrachtet wirkte es ungemein dicht, als würden sich die einzelnen Kakteen gegenseitig berühren, doch es gab noch genügend Zwischenräume, durch die sie kurven konnten.
Linda hob die Hand.
Ihre Schwester nickte und kontrollierte noch einmal den Sitz des Sicherheitsgurtes. »Alles klar.« Der Start!
Sekunden später begann die Höllenfahrt. Linda schaltete sehr schnell hoch, der Jeep gewann an Geschwindigkeit, und was das Mädchen nun leistete, hätte einen Rennfahrer in helles Erstaunen versetzt. Es jagte slalomartig durch den Kakteengarten, wich den gewaltigen Stauden mit raffiniert und gekonnt angesetzten Powerslides aus, schrie selbst dabei laut auf, ebenso wie ihre Schwester.
Es war ein Wahnsinn, was die beiden Mädchen da vollführten. Aber sie mußten es tun, um sich selbst zu bestätigen. Und sie schafften es. Der Jeep gehorchte der Fahrerin fast sklavisch. Immer wieder schwenkte und schleuderte er herum. Manchmal sah es so aus, als würde Linda geradewegs in die Kakteen
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