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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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worden. Manchmal ergibt das Motiv für jemanden, der nicht verrückt ist, keinen Sinn.
    »Ja.« Morpheus hatte es anscheinend auch begriffen. Jetzt war es allerdings auch offensichtlich. Aber er sprach es nicht aus. »Für ihn können wir nichts mehr tun. Im Augenblick gibt es sowieso nichts zu tun. Du solltest dich waschen.«
    »Welchen Sinn hätte das? Ich muß noch ein Grab schaufeln.«
    »Das hat Zeit. Erst brauchst du ein Bad. Ich paß auf.«
    Vielleicht hatte er recht. Möglicherweise kannte er mich einfach zu gut. Ein Bad würde zwar vermutlich nicht helfen, aber es wäre wenigstens ein Symbol. Ich trottete in die Küche. Kelle und Peters waren mit dem Essen fast fertig. Sie hatten überraschenderweise den Krach nicht gehört. Ich erzählte ihnen nichts, sondern nahm mir nur das ganze heiße Wasser und ging in meine Suite. Sie stellten keine Fragen. Wahrscheinlich sah ich zu verbissen aus.
    Als ich frisch gebadet und gewickelt herunterkam, fühlte ich mich kein bißchen besser. Einige Dinge kann man nicht so einfach abwaschen. »Irgendwas passiert?« fragte ich Morpheus.
    Er schüttelte den Kopf. »Doom will dich sehen.«
    Ich ging in das Zimmer, wo ich den Doktor allein gelassen hatte. Er hatte schon von dem Vorfall gehört, wirkte aber immer noch bestürzt, als er mich ansah. »Ihr seht schlecht aus.«
    Ich erzählte es ihm. »Das habe ich mir gedacht. Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand. Jetzt müssen wir sie mit ihrem Ehemann konfrontieren.«
    Ich schilderte ihm meinen Abschied von Eleanor. Unter seiner häßlichen Schale steckte ein guter Mensch. »Ich weiß, wie Ihr Euch fühlt. Mir ging es auch einige Male so. Euer Beruf und meiner haben beide ihre schmerzlichen Seiten. Ihr werdet noch einmal Gelegenheit bekommen, ›Ruhe sanft‹ zu ihr zu sagen.«
    »Laßt es uns hinter uns bringen.«
    »Noch nicht. Ihr seid noch nicht soweit. Ihr müßt Euch beruhigen. In Eurem jetzigen Zustand seid Ihr zu emotional.«
    Ich wollte widersprechen.
    »Ich mische mich nicht in Euren Job, also schreibt mir nicht meinen vor. Wir können nicht ordentlich arbeiten, wenn zu viele Gefühle herumschweben. Und es werden schon genug Emotionen bei den Hauptpersonen ausgelöst werden.«
    Er hatte recht. Ich mußte dringend lernen, meine Arbeit und mein Leben zu trennen. »Einverstanden. Ich reiß mich zusammen.«
    Morpheus tauchte an der Tür auf. »Mittag. Nimm dir lieber Zeit, ein paar Happen zu essen, Garrett.«
    Großartig. Alle waren um mein Wohl besorgt. Ich hätte einen Tobsuchtsanfall kriegen mögen. »Ich komme gleich.«
     
    Vermutlich wirkte ich jetzt etwas weniger wild. Der Schwarze Peter sah mir zu, wie ich mein Essen herunterschlang, ohne hinzusehen oder zu schmecken, was es war. »Ist etwas vorgefallen?« fragte er.
    »Nicht ganz. Eher runtergefallen. Eine Rüstung ist vom vierten Stock gesprungen und auf Kaid gelandet. Sind beide tot.«
    »Was?« Er runzelte die Stirn und sah Kelle an. Sie erwiderte den Blick. Sie brauchten etwa fünf Sekunden, um eins und null zusammenzuzählen. Dann fing Kelle lautlos an zu weinen.
    »Sobald wir hier fertig sind, gehen wir hoch zum Alten. Dann bringen wir die Sache zu Ende.«
    »Es lohnt sich kaum noch«, meinte Peters. »Und ich bedaure es fast, daß ich Sie geholt habe.«
    »Das glaube ich Ihnen gern.« Ich schob den Teller zurück. Selbst wenn man mich totschlagen würde: Ich hätte nicht sagen können, was ich da gegessen hatte. Die anderen waren nicht in Eile. Morpheus beobachtete mich, als befürchtete er, daß ich gleich an die Decke ging. »Ich hab es unter Kontrolle. Eisberg Garrett. Garrett, der coole König der Schnüffler.« Ich stellte alles in meinem Inneren auf Null.
    Aber das sah man mir nicht so schnell an. Es würde eine Weile dauern, bis die Wut und die Frustration aus meiner Miene verschwanden, etwa solange, wie es dauerte, bis eine Leiche steif würde.
    Sie stocherten in ihrem Essen herum wie Kinder, die wußten, daß sie zum Nachtisch in den Schuppen müssen. »Ich geh kurz nach oben. Bin gleich wieder da.« Ich hatte etwas vergessen, eines von Schleichers Gemälden.
    Als ich wiederkam, waren alle mit Essen fertig. Doktor Doom stand in den Startlöchern, Werkzeuge unter dem einen und Schleichers Meisterwerk unter dem anderen Arm. Er war bereit und überprüfte die Statisten. Sogar mit meinem emotionalen Zustand war er zufrieden. »Wollt Ihr das Mädchen holen?«
    »Klar. Morpheus, du trägst das hier.«
    Wir marschierten durch die Eingangshalle,

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