Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
Vom Netzwerk:
sollen.«
    Stantnor wollte mich unterbrechen.
    »Acht Morde, General. Ihr Töchterlein hat acht gute Männer auf dem Kerbholz. Vier hat sie in Melchiors Sumpf gelockt.« Nachdem ich akzeptiert hatte, daß Jennifer die Mörderin war, fügten sich die Stücke des Puzzles wie von selbst zusammen. »Es hat eine Weile gedauert, aber schließlich ist mir klargeworden, was sie gemein hatten: Sie waren alle Jäger. Und Jennifer tat, als wollte sie sich fangen lassen.
    Sie hat sie zum Sumpf hinausgelockt, sie umgebracht und reingeworfen. Dadurch hat sie das Hindernis umgangen, auf das ich immer dann gestoßen bin, wenn ich mich fragte, ob sie die Mörderin sein könnte. Wie hatte sie die Leichen transportiert? Ich bin nicht auf die ganz einfache Antwort gekommen: Sie hat dafür gesorgt, daß sie sich selbst zum Richtplatz begeben haben. Die schwerste körperliche Arbeit, die sie jemals bewältigen mußte, war, Schocke über die Empore des vierten Stocks in die Tiefe zu stoßen und eine Rüstung auf Kaid zu stürzen.
    Ich war vielleicht so schwer von Begriff, weil man solche Morde nicht mit einer Frau in Verbindung bringt. Ich habe einfach übersehen, daß in einem Haus voller Marines vermutlich jeder wie ein Marine denkt und ohne Umschweife auf sein blutiges Ziel losgeht. Wer denkt schon, daß eine Frau es wagen würde, einen ausgebildeten Einzelkämpfer mit einer Kef-Sidhe-Würgeschnur anzugreifen?«
    Ich sah Jennifer an und dachte an unseren Spaziergang zum Friedhof. Ich wußte jetzt, daß sie vorgehabt hatte, mich dort umzubringen. Aber ich hatte ihr einen unerwarteten Moment der Freundlichkeit geboten. Es hatte mir das Leben gerettet und sie um die Chance gebracht, ungeschoren davonzukommen.
    »Ich weiß wer und wie. Aber ich verstehe absolut nicht, warum.«
    Sie brach zusammen. Sie lachte und weinte und redete wie ein Wasserfall, ohne auch nur einen sinnvollen Satz herauszubringen. Es schien etwas mit ihrer Angst zu tun zu haben, daß Teile des Besitzes verkauft würden, wenn es noch andere Erben außer ihr und Kelle gab. Und war das Haus dann erst einmal verlassen, fürchtete sie, auch in diese tödliche Welt gestoßen zu werden, die sie nur mit vierzehn ein einziges Mal besucht hatte.
    In einem hatte ich mich geirrt. Sie hatte keine acht Morde begangen. Sondern elf. Sie hatte auch die drei Männer ermordet, deren Tode angeblich natürlich oder durch einen Unfall eingetreten waren. Sie gab es zu, ja, sie brüstete sich sogar damit. Sie lachte, weil sie alle bis jetzt zum Narren gehalten hatte.
    Stantnor starrte sie die ganze Zeit entsetzt an. Ich wußte, was er dachte. Womit hatte er das verdient?
    Ich wollte es ihm nur zu gern erklären.
    »Garrett!« Morpheus packte meinen Arm.
    »Was?«
    »Zeit zu gehen. Der Job ist erledigt.«
    Doom war bereits verschwunden. Er hatte seinen Teil getan. Eleanor ruhte in Frieden. Kelle versuchte, Jennifer zu beruhigen und zu trösten und dabei einen Privatfrieden mit ihr zu schließen. Das Mädchen war nicht ihre leibliche Tochter, aber … Stantnor war vollkommen vom Bild seiner Tochter gefesselt. Er sah noch tiefer, als Schleicher es vermocht hatte. Vielleicht sah er sein Versagen, mit dem er dieses Monster geschaffen hatte. Ich empfand kein Mitleid und versuchte es auch gar nicht. Es war einfach keins da.
    Dann bekam er einen seiner Anfälle.
    Dieser zog sich hin.
    »Garrett! Gehen wir.«
    Der alte Mann starb. Nein, er verreckte. Morpheus hatte keine Lust, sich die Show anzusehen.
    Peters stand da, benommen und reglos. Er wußte nicht, was er tun sollte. Ihn bedauerte ich.
    Ich schüttelte die Gefühle von mir ab. »Stantnor schuldete mir noch etwas. Ich habe mein ganzes Honorar und noch mehr dafür verbraucht, um ihm seine Antworten zu beschaffen. Es sieht nicht so aus, als würde er warten, bis ich ihm eine Rechnung ausstelle.«
    Morpheus sah mich merkwürdig an. Solche abgebrühten Sprüche paßten eigentlich nicht zu mir. »Nicht«, sagte er, obwohl er keine Ahnung hatte, was ich vorhatte. »Laß uns einfach gehen. Vergiß es. Ich berechne dir meine Zeit nicht.«
    »Nein.« Ich schnappte mir Eleanors Gemälde. »Mein Honorar. Ein echter Bradon.« Der General widersprach nicht. Er war zu sehr mit seinem Sterben beschäftigt. Ich sah Peters an, der nur mit den Schultern zuckte. Ihn interessierte es nicht.
    »Garrett!« fauchte Morpheus mich an. Er war sicher, daß ich etwas tun würde, was ich anschließend bereute.
    »Warte noch eine Minute!« Eins hatte ich noch zu erledigen.

Weitere Kostenlose Bücher