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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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war gar kein Doktor?« Sie schwankte.
    »Behalt sie im Auge, Morpheus.« Er verließ seinen Posten neben der Tür und kam ihr zu Hilfe. Sie plapperte sinnlos vor sich hin. Die Worte sprudelten einfach nur aus ihr heraus.
    Stantnor stammelte ungereimtes Zeug, als könnte er noch jemanden bluffen. Der Speichel rann ihm über das Kinn. Er konnte nicht sprechen, dafür war er zu erschüttert. Er sah so aus, als träfe ihn gleich der Schlag, wie Jennifer es vorhergesagt hatte.
    Ich sah Eleanor an. »Jetzt geh und ruh in Frieden. Du hast genug getan. Es bekommt dir nicht. Beschmutze deine Seele nicht noch mehr.« Unsere Blicke trafen sich und wir starrten uns an, bis die anderen unruhig wurden. »Bitte.« Ich wußte nicht genau, um was ich eigentlich bat.
    »Sie wird in Frieden ruhen, Mr. Garrett«, sagte Doom leise. »Das ist ein Versprechen.«
    »Dann befreien Sie sie. Sie muß nicht …« Ich klappte den Mund zu, bevor ich etwas sagte, das mir mehr Schwierigkeiten einbrachte, als ich bewältigen konnte. Ich schloß meine Augen und riß mich zusammen. Als ich sie öffnete, war Eleanor nur mehr ein Hauch.
    Sie lächelte mir zu. Leb wohl.
    »Auf Wiedersehen.«
    Ich sammelte mich eine Minute, bevor ich mich zu dem alten Mann umdrehte. Er schnappte nach Luft und schnaufte, aber er war nicht mehr so erschöpft. »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht, damit Sie sich erinnern, General. Es wird Ihnen gefallen.« Ich nahm das schlechte Gemälde von Eleanor fort und ersetzte es durch Bradons Meisterwerk. »Ist das nicht besser?«
    Stantnor starrte es an. Je länger er hinsah, desto mehr entsetzte es ihn.
    Er schrie.
    Ich sah auf das Bild.
    Fast hätte ich selbst geschrieen.
    Ich weiß nicht, was es war. Das Gemälde hatte sich nicht sichtlich verändert, aber trotzdem war etwas anders. Es erzählte Eleanors Geschichte. Man konnte es nicht ansehen, ohne von ihrem Schmerz und ihrer Angst vor dem, was sie verfolgte, gepackt zu werden. Es war ein Schatten, und er trug das Antlitz eines jüngeren Stantnor.
    Ich riß mich davon los, bevor Doom mir zu Hilfe kam. »Ihr habt noch Arbeit zu erledigen«, sagte er. Seine Stimme klang ruhig und leise und erreichte mich tief in meinem Inneren, so wie die Gedankenstimme des Toten Mannes es konnte. Sie besänftigte den Teil von mir, der kurz davor war, überzuschnappen.
    »Was habt Ihr vor?« fragte er.
    »Ich will ihm klarmachen, daß er den Rest seines Lebens damit verbringen wird, auf dieses Bild zu starren.«
    »Nicht jetzt. Macht weiter.«
    »Sie haben recht. Natürlich. Peters, reißen Sie ihn für eine Minute von diesem Bildnis los.«
    Peters drehte den Kopf des alten Mannes zur Seite. Stantnors Blick verriet den aufkeimenden Wahnsinn … Nein, es war kein Wahnsinn, jedenfalls nicht direkt. Er hatte sich auf etwas konzentriert, was weit weg war, etwas, das nur er sehen konnte. Seine eigene Vision der Hölle. Jetzt war er wieder bei uns. Jedenfalls für ein paar Minuten.
    »Ich habe noch ein Geschenk für Sie«, sagte ich. »Dies werden Sie auch zu schätzen wissen.« Ich vergewisserte mich, daß er mich nicht aus den Augen ließ, während ich Eleanors Porträt zur Wand drehte und es durch Schleichers letztes Porträt von Jennifer ersetzte. »Ihre entzückende Tochter. Ganz der Herr Papa.«
    Jennifer schrie schrill auf und stürzte vor. Morpheus erwischte sie und nahm sie in einen schmerzhaften Haltegriff. Sie spürte den Schmerz überhaupt nicht.
    Kelle hörte auf, Holz aufzulegen, schubste Morpheus mit dem Ellbogen zur Seite und nahm Jennifer in die Arme, nachdem sie ihr das Messer aus der Hand gewunden hatte. Sie beruhigte sie, wiegte sie leise und weinte mit ihr. »Mein Baby«, murmelte sie. »Mein Baby, mein armes krankes Baby.« Keiner sagte etwas. Alle begriffen es. Selbst der General.
    »Deshalb ist Ihre Scheune verbrannt. Dieses Gemälde ist der Grund. Sie hat Schleicher Bradon mehrmals Modell gesessen. Aber Schleicher hatte einen Blick, der durch alle Masken hindurch zum wahren Kern der Menschen und Dinge vordringen konnte. Wahrscheinlich ist er deshalb vor der Welt geflüchtet. Ein Mann mit seinem Blick sieht schrecklich viele furchtbare Wahrheiten.
    Ich habe auch die Wahrheit gesucht, aber leider habe ich sie diesmal nicht schnell genug gefunden. Vielleicht wollte ich das auch nicht. Wie so vieles Böse kam auch dies in einer wunderhübschen Verpackung daher. Vielleicht hat mich auch das Gemälde von Eleanor zu sehr beschäftigt. Ich hätte dieses hier genauer betrachten

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