Geisterstunde
sprach dagegen, das Spiel mitzuspielen?
Der Flur war vier Meter breit, übergroß wie alles andere hier im Haus, und vollgemüllt mit dem üblichen Zeugs. Fünf Meter neben mir stand eine Rüstung. Ich schnappte sie mir, zerrte sie vor die Tür und schob sie dicht heran. Dann löschte ich die Lampen im Flur, damit jeder, der in dem Raum war, nur eine Silhouette sah. Dann trat ich hinter den Zinnanzug, öffnete die Tür mit der Fußspitze, schob die Rüstung ein paar Schritte ins Zimmer und blieb dann ruckartig stehen, als hätte ich mich erschreckt.
Nichts passierte. Ich ging rückwärts wieder hinaus, holte mir eine Flurlampe und ging wieder hinein.
Es war niemand drin außer mir und meinem Lockvogel. Ich sah in den Schränken und im Ankleidezimmer nach. Niemand zu finden, und nichts war in Unordnung, soweit ich das auf den ersten Blick sehen konnte. Wenn jemand meine Sachen durchsucht hatte, war es ein Meister seines Fachs gewesen, der meine kleinen Fallen bemerkt und wieder aufgebaut hatte.
Was sollte ich davon halten? Hatte sich jemand die Mühe gemacht, das Schloß zu knacken, nur um meine Lampe zu löschen?
Ich schloß die Tür und klopfte meinem Zinnsoldaten auf die Schulter. »Jemand treibt Spielchen mit uns, alter Knabe. Du bleibst hier und paßt schön auf.«
Ich verstaute die Rüstung in einem Wäscheschrank, in den sie knapp hineinpaßte. Dann entzündete ich die Lampen in meinem Zimmer und dann die im Flur. Anschließend ging ich wieder hinein, setzte mich an den Schreibtisch und verdaute mein Dinner.
Leider klappte das nicht besonders. Ich brauche dazu meistens ein oder zwei Bierchen. Gegen diesen Engpaß mußte ich etwas unternehmen. Vielleicht sollte ich kurz verschwinden und ein paar Experten aufsuchen.
In der Schublade des Schreibtischs fand ich ein Tintenfaß, Papier und allen möglichen anderen Kram. Ich holte Papier und Tinte heraus und fing an, mir Notizen zu machen. Zunächst schrieb ich die Namen aller Mitspieler auf, sowohl der, die ich kennengelernt hatte, als auch die der anderen. Die geheimnisvolle Frau blieb erst einmal außen vor. Peters, Dellwood, der General, Kelle, Jennifer, Hawkes, Schocke und Kaid. Tyler und Wayne, die heute ihren freien Abend hatten, und jemand namens Schleicher Bradon, der ungesellig war und nicht ins Haus kam. Dann gab es noch diesen Candy, der theoretisch nicht in Betracht kam, weil er schon vor längerer Zeit gefeuert worden war. Und Harcourt, der seine Freundinnen heimlich hereinschleuste, aber schon vor sechs Monaten in die Wüste geschickt worden war.
Angeblich bekochte Kelle achtzehn Leute. Ich kam nur auf elf, plus die geheimnisvolle Blonde. Wir hatten das, was die Marines Personalknappheit nennen.
Jemand klopfte an die Tür. »Ja?«
»Peters, Mike.«
Ich ließ ihn herein. »Was gibt’s?«
»Ich bringe Ihnen eine Liste mit dem fehlenden Zeug. Kann aber nicht für ihre Vollständigkeit garantieren. Es sind keine Gegenstände, die man jeden Tag sieht und deren Fehlen einem sofort auffallen würde.« Er reichte mir ein Bündel Papier. Ich setzte mich und blätterte es flüchtig durch.
»Ist ja ‘ne Menge Zeug.« Und alles kleine Sachen. Hinter jeden Artikel hatte Peters den geschätzten Wert geschrieben.
Es waren Goldmünzen, alte Juwelen, die längst verblichenen Stantnor-Frauen gehört hatten. Silberbesteck, das von rauhen, ungehobelten Ex-Marines verschmäht wurde, und dekorative Waffen.
»Wenn Sie wollen, kann ich Raum für Raum durchgehen und eine genauere Liste machen. Es ist allerdings sehr schwer zu sagen, was fehlt, weil keiner genau weiß, was überhaupt da ist.«
»Die Mühe lohnt nicht. Es sei denn, Sie finden etwas, das man leicht aufspüren könnte.« Von den Dingen auf der Liste dürfte kaum etwas zu finden sein. Der Dieb war mit Fingerspitzengefühl vorgegangen.
Trotzdem hatte er reichlich abgeräumt. Mir traten fast die Augen aus den Höhlen, als ich die Gesamtsumme sah. »Zweiundzwanzigtausend Taler?«
»Das basiert auf meiner allerdings sorgfältigen Schätzung des Metall- und Edelsteinwertes. Ich vermute, daß ein Hehler einen hohen Preisnachlaß berechnet.«
»Allerdings, was jedoch durch den künstlerischen Wert teilweise wieder ausgeglichen wird. Viele Sachen auf der Liste sehen so aus, als wären sie kein Schrott, den man einfach einschmilzt.«
»Vielleicht.«
»Sollen wir den Dieb finden?« Der General hatte mir sowieso den Auftrag dazu erteilt. Mit der Frage wollte ich den Schwarzen Peter aus der Reserve
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