Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
Vom Netzwerk:
weitergelaufen. Als ich den Ostflügel erreicht hatte, war er schon im vierten Stock angekommen und lief in den Flur, der zur Suite meines Vaters führte. Ich bin zu Ihrer Suite gerannt und hab versucht, Sie wach zu machen. Aber Sie haben sich nicht gerührt. Ich hab nicht aufgegeben. Dann hab ich diesen Schrei gehört und wußte nicht, was ich tun sollte. Ich hatte Angst und habe mich im Schatten am Ende des Flurs versteckt, bis ich Ihre Stimme gehört habe.«
    »Sie haben niemanden bei Peters oder Schocke gesehen?«
    »Nein, das sagte ich doch schon.«
    Das gab mir einen Moment zu denken. »Gehen Sie lieber in Ihre Suite zurück, bevor noch jemand auftaucht. Peters Fragen sind auch so schon schwierig genug.«
    »Oh!«
    »Ja. Gehen wir.« Ich folgte ihr zur Treppe, über die Galerie und nach drüben in den anderen Flügel. Die Dunkelheit machte ihr nicht das geringste aus. Wir trennten uns am Treppenabsatz zur Empore des dritten Stocks. »Ich komm und rede mit Ihnen, sobald wir hier alles im Griff haben.«
    »Einverstanden.« Ihre Stimme war fast piepsig vor Angst. Das konnte ich ihr nicht verdenken. Ich hatte selbst Schiß.
    Schocke war tot. Und jemand hatte nachgeholfen. Dabei war er mein Hauptverdächtiger gewesen. Mein todsicherer Mörder. Alle. Ausradiert. Das heißt, ich hatte den Falschen aufknüpfen wollen. Es sei denn, er hätte versucht, jemand anders umzubringen, und wäre in Notwehr ermordet worden.
    Ich ging zu dem Balkon, von dem aus er vermutlich hinabgestürzt war. Morpheus und Peters beobachteten mich schweigend.
    »Hat er wollene Hosen an?« rief ich hinunter.
    »Ja«, antwortete Morpheus.
    Am Geländer hingen Wollfäden. Und es gab sogar Hautfetzen, als hätte er krampfhaft nach einem Halt gesucht, als er hinabstürzte. Es waren zwar nur winzige Beweise, aber sie belegten, daß man ihn tatsächlich gestoßen hatte. Ich stellte mir vor, wie er da gestanden und hinabgesehen hatte, vielleicht mit jemandem redete, als er einen Stoß bekam, der ihn hinunterbeförderte. Vielleicht hatte derjenige ja sogar noch einmal nachhelfen müssen, als Schocke schon im Fallen war.
    Manchmal habe ich einfach zuviel Mitleid mit Menschen, die einen so plötzlichen Tod erleiden. Ich stelle mir ihre Geschichte vor und beschwöre die Empfindungen herauf, die eine Person haben muß, wenn ihr klar wird, was sie erwartet. Ein Todessturz erschreckt mich furchtbar. Für Schocke empfand ich mehr als durchschnittliches Mitleid.
    Wie lange würde es dauern? Etwa eine Sekunde freier Fall? Eine Sekunde voller Angst, wilder Verzweiflung und vergeblicher Hoffnung, während man versuchte, den Sturz zu steuern, um vielleicht, ganz vielleicht, doch zu überleben?
    Ich schüttelte mich unwillkürlich. Diese Sache würde mich noch lange verfolgen.
    Während ich krampfhaft versuchte, an etwas anderes zu denken, trottete ich hinunter ins Erdgeschoß. Mir tat alles weh, und meine Laune war alles andere als blendend. »Wie lautet Ihre Geschichte, Sergeant?«
    Meine Barschheit überrumpelte ihn. Aber er hatte Verständnis dafür. »Wir haben auf den Zombie gewartet.« Vor dem Springbrunnen lag eine repräsentative Sammlung von Mordwerkzeugen, die ich vorher nicht bemerkt hatte. »Kaid und Wayne sollten die nächste Wache übernehmen, etwa in einer Stunde. Ich mußte mal pinkeln. Da ich aus verständlichen Gründen nicht nach draußen wollte, bin ich in mein Zimmer gegangen.«
    »Sie haben ganz schön lange fürs Pinkeln gebraucht.«
    »Stellte sich raus, daß ich noch mehr loswerden konnte, als ich erst mal saß. Wollen Sie nachsehen? Müßte noch qualmen.«
    »Glaub es ihm, Garrett.« Morpheus ist kein fanatischer Schnüffler, der sich darum schlägt, in stinkenden Pißpötten nach Beweisen zu wühlen. Ich übrigens auch nicht. Außerdem glaubte ich Peters. Hätte er vorgehabt, Schocke das Fliegen beizubringen, hätte er sich sicher eine weniger faule Ausrede ausgedacht.
    Mir gingen die Verdächtigen aus.
    Was bedeutete, ich mußte die ganze Sache noch mal aufrollen und alle verdächtigen. Selbst die Unwahrscheinlichen.
    Mittlerweile waren die Anteile des Vermächtnisses über sechshunderttausend Taler wert. Falls der Wert des Besitzes nicht schneller fiel, als der Mörder seinen Anteil vergrößerte.
    Peters. Kelle. Wayne. Ene mene muh. Ich setzte Wayne an die Spitze der Hitliste. Völlig willkürlich. Und Kelle lag auch aussichtsreich im Rennen, obwohl sie ziemlich gute Alibis hatte. Aber Alibis sind nicht alles.
    »Ich nehme an, der

Weitere Kostenlose Bücher