Geistersturm
einzige Möglichkeit, die mir einfiel.«
Ich hatte ihn schon verstanden, fragte aber doch weiter. »Oder mit einem Familienmitglied?«
»Das ist auch möglich.«
»Geraldine Sinclair.« Er nickte.
Ich holte tief Luft. Unglaublich, unbegreiflich, unmöglich, das waren Begriffe, die ich mir abgeschminkt hatte oder es noch immer versuchte.
Manchmal jedoch wurden wir mit Tatsachen konfrontiert, auf die diese Begriffe paßten, wie jetzt, als mein Vater von seiner Beobachtung sprach, die ihn doch besorgt gemacht hatte.
»Du sagst nichts, John?«
»Ich denke nach.«
»Das habe ich auch getan, Junge.« Er legte mir eine Hand auf die Schulter. »Aber ich bin leider zu keinem Resultat gekommen. Wenn es tatsächlich dieses Wesen Geraldine war, das auch mich beobachtete, warum hat es das getan? Warum hat es sich nicht gezeigt?«
»Keine Ahnung, Dad.«
»Es ist schwierig.«
»Nicht nur das. Es muß mit unserer Familie zusammenhängen. Aber nicht mit der jetzigen, sondern mit der, die einmal auf dem Schlachtfeld von Culloden gekämpft hat. Was immer dort passiert ist, wir wissen es leider nicht. Ich denke auch, daß ich nicht die Zeit bekomme, mich näher und besser zu informieren, Dad. Wir müssen morgen weiter. Culloden wartet auf uns. Dort wird sich dann einiges klären, nehme ich an.«
»Du tappst auch im dunkeln.«
»Ja.« Ich trat gegen einen Stein und lauschte, wie er wegrollte. »Ich tappe im dunkeln, weil man mich mit nur wenigen Informationen versorgt hat. Das war ziemlich gerissen von meiner Namensvetterin. Aufklären und entscheiden wird sich alles in Culloden.«
Mein Vater nickte. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
»Eigentlich geht es ja auch mich etwas an. Ich bin ebenfalls ein Sinclair, auch wenn mich die Clan-Geschichte nicht so interessiert hat.«
»Weshalb eigentlich nicht?«
Er hob die Schultern.
»Gute Frage, auf die ich dir eine ehrliche Antwort geben möchte. Ich bin weder Reaktionär noch Traditionalist, John. Ich lebe jetzt, ich will mit dem ganzen Kram nichts mehr zu tun haben. Was vergangen ist, das ist vergangen, John. Es interessiert mich einfach nicht. Ich mag keine Treffen von Kriegsveteranen, ich mag auch die Zusammenkünfte der Clans nicht, die es nach wie vor gibt. Ich will dir die einzelnen Namen nicht aufzählen, du kennst sie ja. Sie haben Verbindungen, sie kontrollieren die Spirituosen-Industrie hier oben, aber was da in den inneren Kreisen und Zirkeln läuft, kann ich dir nicht sagen.«
»Gut, Dad, gut. Trotzdem stehen wir plötzlich im Brennpunkt. Da suche ich nach dem Grund.«
»Ich auch.«
»Zwei Dinge sind wichtig.« Ich ging einige Schritte zur Seite. »Culloden und der Name Sinclair. Irgendwo muß es eine Brücke geben, die beide verbindet.«
»Ich kenne sie nicht.«
Er hatte gegen meinen Rücken gesprochen, und ich drehte mich wieder um. »Hast du Mutter von den Dingen erzählt?«
»Nein.«
»Auch nicht von dem Gefühl, beobachtet zu werden, nehme ich an.«
»So ist es.«
»Wie war es? Hier draußen? War es im Haus?«
»Sowohl als auch.«
»Das ist nicht gut. Wir stehen also unter Kontrolle. Wer kann es sein? Was haben wir getan?«
Unwillig schüttelte mein Vater den Kopf. »Gar nichts, John, wirklich nichts.«
»Mal sehen.« Ich blickte auf Lauder hinunter, wo die Lichter sehr schwammig und blaß aussahen, denn wegen der Feuchtigkeit hatte sich auch wieder Dunst bilden können, der in dünnen Schleiern über das Land zog und alles einzupacken schien.
Ich horchte zudem in mich hinein. Wenn mein Vater das Gefühl gehabt hatte, beobachtet zu werden, dann konnte sich das auch auf mich übertragen, doch ich merkte nichts. Eine völlig normale Stille umgab uns.
Nur hin und wieder trug der Schall das Geräusch eines fahrenden Wagens zu uns hoch.
»Ich glaube, ich werde ins Haus gehen, John.«
»Ja, tu das.«
»Du bleibst noch?«
»Ich drehe eine Runde.«
Er kam zu mir. »Meine Worte haben dich schon beunruhigt, kann ich mir vorstellen.«
»Wenn du so willst, ja.«
»Sorry, aber ich habe es nicht gewollt.«
»Schon gut, Dad. Es ist immer gut, wenn man mit wachen Augen durch die Welt läuft.«
Mein Vater wollte etwas sagen, aber er traute sich nicht. Plötzlich schien er einzufrieren.
»Was hast du?«
Er schüttelte den Kopf. »Das kann ich dir nicht genau sagen, John. Aber sie sind da.«
Ich hatte rasch geschaltet. »Die Beobachter?«
»Sicher!« flüsterte er.
Warum spürte ich sie nicht, sondern nur mein Vater? Ich schaute in die
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