Geistersturm
zweihundert Jahre zurück.
Culloden!
Das alte Schlachtfeld.
Die Erde, die vom Blut vieler Menschen getränkt war. Wo auch meine Vorfahren oder zumindest Menschen mit meinem Namen tatkräftig gekämpft hatten.
Was war dort passiert? Es mußte einfach etwas geschehen sein, dessen Auswirkungen nach so langer Zeit noch ans Tageslicht krochen.
Die Unruhe in mir wuchs. Am liebsten wäre ich aufgestanden und durch das Haus getigert. Das wiederum konnte ich meinen Eltern nicht zumuten, denn meine Mutter hätte sich mit ihren Fragen sicherlich nicht zurückhalten können.
Statt dessen setzte ich mich aufrecht hin. Hinter meinem Rücken bildete das hohe Kissen eine Stütze. Wenn ich nach links schaute, sah ich den Schatten des Fensters.
Die Stores waren nicht vorgezogen, den Umriß konnte ich deshalb deutlich erkennen. Ich schaute gegen das matte Blau der Scheibe, von dem sich der Rahmen heller abhob.
Dahinter drückte die Dunkelheit der Nacht gegen Mauern und Fenster. In der Umgebung und auch innerhalb des Hauses war es still. Suko schlief tief und fest im Nebenzimmer. Ich gönnte es ihm, denn er war persönlich nicht so engagiert wie ich.
Meine Blicke blieben am Viereck des Fensters hängen. Ich dachte an die unnatürliche Kälte und an die Bewegung innerhalb der Bäume.
Täuschung oder nicht?
Die Antwort gab mir tatsächlich der Blick zum Fenster, denn dahinter tat sich etwas. Eine Bewegung! Wolkig, lautlos, unheimlich!
Ich blieb wie erstarrt hocken, denn ich wußte, daß etwas auf mich zukommen würde. Mir war auch klar, daß mich keine Mauer vor den Tatsachen schützen konnte. Die Gedanken hingen noch in meinem Gehirn nach, als ich bereits die Kälte spürte, die durch das Zimmer strich und auch mich nicht ausließ.
Sie glitt über meinen Körper, über das Gesicht hinweg, auch über das Oberbett, und ich hatte den Eindruck, als wäre meine Haut von einem Reif bedeckt worden, der dafür sorgen sollte, daß ich mich nicht mehr bewegte.
Und dann waren sie da!
Vor Staunen riß ich die Augen weit auf, denn die Geister in diesem Zimmer hatten Gestalt angenommen. Es waren nicht nur neblige Gebilde, ich sah jetzt Unterschiede. Sie füllten den Raum mit ihren schrecklichen Fratzen und den langen Knochenklauen aus, die immer wieder gegen mich stießen, mich auch berührten oder erwischten, es aber trotzdem anders war, als wären sie noch dreidimensional.
Ich merkte, wie sie über meine Haut glitten und dort Eisstreifen hinterließen. Sie umtanzten mich, sie glitten an der Decke dahin, sie krochen über die Wände. Die Eindringlinge sahen unförmig aus. Wie aufgeblasen wirkten sie, und deshalb sahen die Totenkopfmäuler auch so aufgequollen aus. Schreckliche Fratzen, mit bösen und trotzdem leeren Augen, die mich, den im Bett Sitzenden, umtanzten wie ein böser Alptraum.
Immer wieder griffen sie zu, aber sie fügten mir keine Verletzungen bei.
Ihre knöchernen Klauen fuhren durch mich hindurch, als wollten sie die Eingeweide zerstören und sie zuerst vereisen.
Es war einfach schlimm und schaurig, was ich da mitmachte. Ich kam mir wie ein Gefangener vor, und sie strichen auch über mein Kreuz hinweg, ohne zerstört zu werden.
Der gesamte Raum war von ihnen eingenommen worden. Der kalte Nebel irgendwelcher Totengeister umwehte mich. Noch immer saß ich im Bett.
Das Kissen hinter mir schien zu Eis geworden zu sein.
Endlich passierte etwas. Ich hatte schon lange mit einer Kontaktaufnahme gerechnet, die nun geschah, denn aus dem Hintergrund oder aus irgendeiner anderen Dimension hervor hörte ich die Stimmen der Totengeister oder die der gefallenen Clankämpfer.
›Er ist es!‹
›Er ist ein Sinclair!‹
›Tod allen Sinclairs!‹
›Vernichten wir sie auf dem Schlachtfeld!‹
›Sterben sollen die Verräter.‹
›Wir kehren zurück und nehmen endlich Rache…‹ Die flüsternden, geisterhaften Stimmen schwirrten durcheinander, sie erfüllten meinen gesamten Kopf. Sie drückten gegen mein Gehirn, ich konnte an nichts anderes mehr denken, denn sie waren einfach in der Überzahl. Sie hatten gewonnen, es war ihnen gelungen, den Menschen Sinclair auszuschalten.
Ich konnte mich nicht mehr bewegen.
Überall ergriffen sie mich. Unzählige Finger strichen über meinen Körper, obwohl sie als solche nicht vorhanden waren. Es war eben dieses geisterhafte Totenplasma, das mich übernommen hatte.
Dicht vor meinem Gesicht erschienen die drei wohl schrecklichsten Fratzen. Gebilde, die wie aufgeblasene Fischköpfe
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