Geistersturm
stimmte Suko zu.
»Sie werden uns wohl kaum als Mitglieder eines Clans einstufen. Mich schon gar nicht.«
»Da hast du recht. Chinesen gehören nicht dazu.« Der Gasthof war nicht hoch, aber ziemlich breit. Eine Reihe kleiner Fenster durchbrach das Mauerwerk. Es roch in seiner Nähe nach Essen, aber wir hörten keinen Stimmenwirrwarr, als wir die Tür aufstießen und den ziemlich düsteren Raum mit der niedrigen Decke betraten. Dennoch hatten der Wirt und zwei Helfer, die gemeinsam die Zapfanlage umstanden, alle Hände voll zu tun, um das braune Guiness-Bier in die Gläser laufen zu lassen. Da sich kein Gast in dem Raum aufhielt, mußten wir davon ausgehen, daß es noch ein Hinterzimmer gab.
So war es auch, denn die beiden Helfer schleppten die schweren Tabletts auf eine Tür zu. Als sie aufgestoßen wurde, konnte ich in einen Gang schauen und hörte auch Stimmen.
Die Tür schwappte wieder zu, der Wirt schaute hoch und wischte mit dem Stoff des hochgekrempelten Ärmels den Schweiß von der Stirn.
Dann schaute er uns an.
»Bitte?«
»Zweimal Wasser!« bestellte ich.
Das schien dem Mann nicht zu gefallen. Sein eigentlich blasses Gesicht nahm die Farbe der rötlichen Haare an, und er schüttelte den Kopf.
»Was wollen Sie? Wasser?«
»Ja, ist das schlimm?«
»Das Zeug, in dem schon die Gänse gepinkelt und die Fische gebumst haben, würde ich nicht trinken.«
»Brauchen Sie auch nicht«, sagte ich. »Es sei denn, Sie verkaufen Wasser aus einem Teich.«
Er sagte nichts mehr und schaute zu, wie wir zu einem Tisch gingen und uns dort niederließen. Gläser bekamen wir auch, nur einschenken mußten wir selbst.
Bevor der Wirt verschwinden konnte, hielt ich ihn fest. Kneipen waren immer eine gute Informationsquelle, ich hoffte, daß es auch hier so sein würde. »Findet hier das Treffen der großen Clans statt?«
»Ja«
»Wie oft kommen die Leute zusammen?«
»Keine Ahnung. Hier treffen sie sich zum erstenmal. Sie gehören wohl nicht dazu, wie?«
»Nein.«
»Zimmer sind keine mehr zu kriegen. Ich sage Ihnen das nur, falls Sie länger bleiben wollen.«
»Auf keinen Fall, wir müssen weiter. Mich hat das Treffen auch nur gewundert oder eigentlich nicht, denn dieser Ort liegt ja nicht weit von einem Schlachtfeld entfernt.«
»Sie meinen Culloden.«
»Richtig.«
»Ja, da werden die Mitglieder wohl hinpilgern. Sie wollen den Ort der Schmach besuchen, um die erlittene Niederlage zu tilgen. Die Männer können eben mit der Schmach nicht leben. Sie sind Schotten, und Schottland ist frei.«
»Das weiß ich.«
»Sind denn alle Clans versammelt?«
Der Mann mit den roten Haaren schaute Suko unwirsch an. »Ich weiß es nicht, ich bin auch kein Fachmann. Wenn es Sie interessiert, fragen Sie die Leute doch und nicht mich.«
»Werden wir auch«, entgegnete ich. »Eine Frage hätte ich trotzdem noch.«
Der Mann verzog das Gesicht. »Und welche?«
»Wann finden sich die Mitglieder denn auf dem Schlachtfeld ein?«
»Am Abend.«
»Danke.«
Der Wirt hatte wieder vorn zu tun, denn seine beiden Kellner gaben neue Bestellungen auf. Suko und ich steckten die Köpfe zusammen. Wir sprachen leise, weil wir nicht wollten, daß Fremde etwas von unserer Unterhaltung mitbekamen.
»Am Abend also«, wiederholte mein Freund. »Wenn die Dunkelheit hereingebrochen ist.«
»Gefällt dir das nicht?«
Er lächelte hintergründig. »Dir denn?«
»Nein.« Ich trank Wasser und stellte das Glas ab. »Es kann mir nicht gefallen, wenn ich daran denke, was mir in der vergangenen Nacht widerfahren ist. Es ist durchaus möglich, daß es sich in der folgenden wiederholt. Dann werden die Geister ihre eigene Welt verlassen und über die Menschen kommen, um sie zu strafen.«
»Das weißt du genau?«
»Ich gehe mal davon aus.«
»Oder auch nicht«, sagte Suko. »Es kann ja durchaus sein, daß sich die Mitglieder mit denen verbünden wollen, die aus einer anderen Welt erscheinen.«
»Wozu?« fragte ich erstaunt.
»Um Rache zu nehmen. Rache für die Niederlage von vor gut zweihundertundfünfzig Jahren.«
»Meinst du das im Ernst?«
»Es ist zumindest eine Möglichkeit, John. Die genauen Zusammenhänge werden wir erfahren, wenn wir selbst auf dem Schlachtfeld stehen, meine ich.«
Die Worte meines Freundes hatten mich nachdenklich werden lassen.
An eine derartige Möglichkeit hatte ich gar nicht gedacht. Meine Gedanken bewegten sich auch auf einer anderen Schiene weiter. »Ich frage mich nur, welche Rolle Geraldine Sinclair dabei spielt.
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