Geistersturm
Gehört sie auch zu diesem Clan?« Ich berichtigte mich selbst. »Nein, das kann nicht sein. Sie ist ja eine Sinclair.«
Suko nickte. »Eine Verräterin.«
Ich lächelte. »Unser Wappen habe ich jedenfalls nicht auf einer der Fahnen gesehen.«
»Was auch gut ist. So bist du wenigstens nicht befangen.«
Ich schaute auf die Uhr. »Wir sollten zahlen und fahren.«
»Nichts dagegen.«
Der Wirt kam sofort, als ich ihn herbeiwinkte. »Geht es jetzt weiter?« fragte er.
»Ja.«
»Culloden?«
Mir gefiel der Unterton in seiner Stimme nicht, und ich schaute zu ihm hoch. »Ja, möglich – warum?«
»Ich will mich ja nicht in Ihre Angelegenheiten mischen, aber ich möchte Ihnen doch einen Rat geben.«
»Gern.«
Er stützte sich mit den Händen auf zwei Rückenlehnen ab und beugte den Oberkörper vor. »Ich bin zwar auch Schotte und liebe mein Vaterland, aber ich bin längst nicht so der Tradition verhaftet wie meine Gäste im Hinterzimmer. Ich glaube nicht, daß sie bei ihrem Treffen auf dem Schlachtfeld Fremde dabeihaben wollen. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen. Und sollten sie irgendwelche Fremden sehen, werden sie sicherlich alles daransetzen, um sie zu verjagen. Die Männer sind eine militante Gruppe. Ich glaube nicht, daß sie direkt mit den alten Idealen des Clans etwas zu tun haben.«
»Sie meinen, daß die nichts vergessen haben.«
»Ja. Das sind pure Nationalisten. Solche Typen schrecken auch vor Waffengewalt nicht zurück. Wissen Sie, ich liebe mein Land, um es noch einmal zu unterstreichen, aber ich habe auch nichts gegen Engländer und andere Europäer, die im Sommer zu uns kommen und auch ihr Geld hier bei uns lassen. Man soll sie nicht vertreiben. Europa wächst zusammen, aber das sehen Typen wie die da hinten nicht ein.«
»Interessant«, sagte ich. »Was denken Sie denn, Mister, was die vorhaben?«
Er stemmte sich wieder hoch und hob auch die Schultern. »Das weiß ich leider nicht.«
»Haben Sie keine Vermutung?«
»Nein.«
»Was wird denn geredet?«
»Ich bin nur hier, und meine Kellner möchte ich nicht fragen. Es kann auch alles ganz harmlos sein. Ein paar Gedanken, Fahnenschwinger mit Musik, was weiß ich? Aber gefallen tun mir die Typen nicht, und sie wollen auch unter sich bleiben. Das wollte ich Ihnen noch sagen. Wenn Sie trotzdem das Schlachtfeld besuchen wollen, ich kann Sie nicht daran hindern, Gentlemen.«
»Und wir bedanken uns!« sagte ich, als wir aufstanden. »Sicherlich machen wir einen Bogen.«
Der Wirt zog die Nase kraus.
»Wäre besser.«
Wir verließen das Lokal und blieben draußen unter den Bäumen stehen.
Alles war hier noch klein und eng. Wir schauten uns an, ließen zwei Frauen vorbei, dann erst sprach Suko mich an.
»Denkst du, was ich denke?«
»Es kommt darauf an.«
»Wir sollten die kleine Chance wahrnehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dieses Hinterzimmer keine Fenster hat.«
»Wunderbar, Alter, gehen wir.«
Es war für uns leicht, den Weg zu finden. An der rechten Seite der Gastwirtschaft fanden wir einen schmalen Pfad. Er trennte ein schmales Stück Garten vom Haus ab. An der Rückseite jedoch verlor sich die Enge. Da standen einige Müllbehälter dicht an der schmutzig wirkenden Mauer. In einem nicht weit entfernten und umzäunten Freigehege liefen einige Hühner herum und suchten den Boden nach Eßbarem ab. Einen kleinen Holzstall gab es auch. Leider schienen die Tiere unzufrieden zu sein, jedenfalls gackerten sie ziemlich laut, und es würde nicht einfach sein, die Worte der Versammelten zu verstehen.
Beobachtet wurden wir nicht. Trotzdem gingen wir dicht an der Wand entlang, schlichen an den Müllbehältern vorbei, wo es nach fauligem Obst roch, und hörten sehr bald die ziemlich erregt klingenden Männerstimmen, denn zwei Fenster hatten sie geöffnet. Die Scheiben standen gekippt.
Glück muß man eben haben. Suko tauchte unter dem Fenster weg, richtete sich wieder auf und blieb dicht an der Seite stehen. In seinem Rücken befand sich die grau gestrichene Hintertür.
Ich stand Suko gegenüber. Beide sperrten wir die Ohren weit auf, nur war es schwer, etwas zu verstehen, denn die Mitglieder der Clans konnten sich nicht auf einen Sprecher einigen. Zu viele redeten durcheinander, zudem gackerten im Hintergrund noch die Hühner, was ebenfalls als störender Faktor hinzukam.
Dann schrie jemand mit lauter Stimme, die beinahe überkippte. »Wir müssen diese Schmach vergessen machen! Wir können es nicht länger hinnehmen und in
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