Geistersturm
nicht im Vordergrund, es gibt andere Dinge, die mich mehr interessieren.«
»Welche?«
Hunt hob nachdenklich die Augenbrauen. »Menschliche Schicksale.«
Suko setzte seine Frage sofort hinterher. »Derjenigen Personen, die damals an der Schlacht von Culloden beteiligt gewesen waren?«
»Ja, das ist richtig.«
»Auf beiden Seiten?«
»Nein, mehr auf der schottischen. Meine Heimatseite, wenn ich das so sagen will.«
»Es interessieren Sie die Clans.«
»Das stimmt.«
»Stammen Sie selbst von einem Clan ab, oder gehören Sie etwa dazu? Das wäre ja möglich.«
»Stimmt, aber so ist es nicht. Ich habe mich in diese Einsamkeit zurückgezogen, um genügend Zeit für meine Recherchen zu haben. Ich schreibe ja nicht nur, ich bin auch dabei, Bücher zu studieren. Historische Bücher, wenn Sie verstehen. Das wird den ganzen Sommer noch andauern. Erst im Herbst komme ich dazu, mich an die Geschichte selbst zu setzen. Es wird ein sehr umfangreiches Buch werden, das weiß ich schon jetzt, denn die Clans sind doch sehr vielfältig und auch unterschiedlich.«
»Außerdem gibt es welche, die nichts vergessen haben. Ich denke da an die neue Generation.«
Hunt verengte die Augen. »Darf ich fragen, wie Sie das genau meinen, Suko?«
»Gern. Mein Partner und ich haben durch Zufall eine Versammlung irgendwelcher Traditionalisten belauschen können. Wir sehen diese Männer als gefährlich an, denn ihre Reden klangen sehr rechts. Die Männer haben nichts vergessen.«
»Stimmt, Suko.«
»Das hörte sich an, als würden Sie diese Leute besser kennen?«
»Nun ja, das stimmt, sie sind jedoch nicht meine Freunde.«
»Das dachte ich mir.« Suko schaute Hunt direkt in die Augen. »Was haben sie vor?«
»Sie können nichts vergessen. Oder sie haben nichts vergessen. Sie sind auch nicht bereit, die alten Zeiten und das, was in denen geschehen ist, ruhen zu lassen.«
»Das hörte sich nicht gut an.«
»Es ist auch nicht gut, Suko. Diese Menschen haben die Geschichte nicht begriffen. Nur ist das kein schottisches Vorrecht. Das erleben wir überall in Europa. Verbohrte gibt es immer wieder, als wollten sie sich bewußt gegen den Strom stemmen. Diese Gruppe kann es nicht fassen, daß vor mehr als zweihundert Jahren die Clans eine Niederlage erlitten haben.«
Suko mußte einfach lachen. »Himmel, das ist vorbei! Die Zeit kann man nicht zurückdrehen.«
Melvin Hunt schaute auf seine Finger, die gespreizt auf der Tischplatte lagen. »Das können Sie auch normalerweise nicht, Suko, das ist unmöglich. Aber Sie werden es nicht schaffen, ihnen das einzutrichtern. Das geht ihnen einfach gegen den Strich und gegen die normale Entwicklung. Es ist leider so, und das sehen wir beide ein, nur diese verfluchten Typen nicht, die, wenn sie einmal soweit sind, auch vor Gewalt nicht zurückschrecken werden, um es den Nachfahren des englischen Königs heimzuzahlen, die es ja noch immer gibt. Damals hat der Duke of Cumberland seine Highland-Fighter versammelt, um gegen die Übermacht anzutreten. Es ist ihm nicht gelungen, Schottland zu retten, und die neuen Kämpfer werden es auch nicht schaffen, denn die Verhältnisse sind heute viel ungünstiger für sie als damals.«
»Das weiß ich, das wissen Sie, Melvin. Trotzdem schwingen die Typen derartige Reden?«
»Ja, weil sie davon überzeugt sind.«
»Aber wie wollen sie es schaffen?«
Hunt lehnte sich zurück und strich über seine Stirn. »Diese Frage habe ich mir vor einigen Wochen auch gestellt, als ich von diesem Spuk erfuhr, aber sie scheinen eine Möglichkeit entdeckt zu haben.«
»Welche?«
»Daß normale Waffen ausscheiden, können Sie sich vorstellen, Suko.«
»Natürlich.«
Melvin Hunt räusperte sich und trank von seinem Tee. »Tja«, sagte er leise und lächelte vor sich hin, während er noch den Kopf schüttelte, »ich weiß auch nicht, warum ich Ihnen dies alles erzähle, aber wie ich schon sagte: Wenn es normale Waffen nicht schaffen, dann müssen eben andere her.«
Suko ahnte, was folgte, tat aber trotzdem so, als verstünde er nichts.
»Welche Waffen meinen Sie?«
Hunt streckte die Beine aus. Er stöhnte dabei. »Das ist schwer zu erklären, und es wird für Sie noch schwerer sein, dies alles zu glauben, sage ich mal.«
»Sie können es versuchen.«
»Nichts gegen Sie, Suko, aber Sie sind sicherlich ein Mensch der Großstadt und leben mit dem, was Sie sehen. Hier oben aber läuft die Zeit anders. Hier ist nicht alles tot und vernichtet oder vergessen, was auch so
Weitere Kostenlose Bücher