Geistersturm
weiter.«
»Gegen wen kämpfte sie denn?«
Melvin Hunt wies gegen die Decke.
Suko hatte begriffen und sagte: »Gegen die Geister oder gegen den Geistersturm?«
»Das stimmt.«
Suko lächelte und nickte zugleich. »Gut, daß wir endlich soweit gekommen sind. Sie kämpfte also gegen die Geister, stemmte sich dem Sturm entgegen, der immer wieder über sie kam.«
»So ist es gewesen.«
»Wann?«
Melvin hob die Schultern.
»Man sagt, daß die Geister der Gefallenen keine Ruhe finden können und sich immer dann zeigen, wenn Geraldine auf dem Schlachtfeld steht. Sie ist in gewisser Hinsicht der Lockvogel für die anderen aus der fremden Welt.«
»Soll das heißen, daß der Geistersturm nur dann losbricht, wenn sich Geraldine auf dem Schlachtfeld befindet?«
»Das ist es.«
»Warum, zum Henker?«
Melvin zeigte ein bedenkliches Gesicht. »Das weiß ich leider auch nicht«, sagte er. »Ich habe keine Ahnung. Alles ist praktisch an mir vorbeigelaufen. Außerdem habe ich zur damaligen Zeit nicht gelebt und…«
»Aber Geraldine hat gelebt und auch überlebt. Auch sie hätte längst verwest sein müssen.«
»Das stimmt, Suko.«
»Warum ist sie es nicht?«
Hunt stöhnte. »Wenn ich das wüßte, wäre mir wohler. Sie lebt, die Erklärungen müssen Sie woanders suchen und nicht mit den Gesetzen der Physik. Es ging ja immer wieder gut, bis eben zum heutigen Tag oder in der Zeit davor. Da hat sich die Gruppe der Traditionalisten zusammengefunden, und die Männer haben davon erfahren, daß diese Geraldine Sinclair noch existierte. Sie werden sie vor ihren Karren gespannt haben. In dieser Nacht werden sie den Geistersturm erleben. Ich habe keinen Beweis, denke aber, daß Sie eine Person wie Geraldine Sinclair ebenfalls auf dem Schlachtfeld finden werden.«
»Das glaube ich auch«, sagte Suko. »Frage: Was machen wir?«
»Was hatten Sie vor, Melvin?«
»Ich wäre hingegangen.«
»Sie hätten sich in Gefahr begeben«, gab Suko zu bedenken.
Der Autor hob die Schultern.
»Hatten Sie schon Kontakt mit der Gruppe aus Tomatin?«
»Des öfteren.«
»Dann wissen die, daß Sie nicht eben auf ihrer Seite stehen.«
»So ist es. Ich bin einmal heftig mit ihnen zusammengerasselt. Ich habe ihnen erklärt, was ich von ihnen halte, und sie hätten mich am liebsten unangespitzt in den Boden gerammt. Aber darüber sehe ich hinweg. Für mich ist wichtig, daß die Gruppe es durch die Hilfe dieser Totengeister nicht schafft, Unruhe in das Land zu bringen und noch einmal gegen die Nachkommen derjenigen ins Feld zieht, die damals als Sieger gewesen sind. Die Lebenden fühlen sich mit den Geistern verbunden, und daß beide in der folgenden Nacht auf dem Schlachtfeld erscheinen werden, ist leider nicht zu vermeiden.«
»Es werden noch zwei dort sein. Geraldine Sinclair und mein Freund John Sinclair.«
»Auch Sie, Suko?«
»Denken Sie, ich lasse meinen Freund im Stich?«
»Dann bin ich auch dabei.«
Suko wollte schon widersprechen, sah allerdings ein, daß dieser Mann die älteren Rechte hatte, und er stimmte zu. »Dann müssen wir uns nur darauf einigen, wann wir uns in Marsch setzen.«
»So rasch wie möglich.«
»Okay.« Suko stand auf und bewegte sich zur Tür.
»Moment, ich hole nur noch meinen Wagenschlüssel und mein Gewehr. Man kann nie wissen.«
Dazu gab der Inspektor keinen Kommentar. Er verließ das Steinhaus und blieb vor der Tür stehen.
Die Landschaft zeigte inzwischen ein dunkleres Gesicht. Der Wind hatte aufgefrischt, und es war kälter geworden. Suko, der in den Himmel schaute, entdeckte nichts Besonderes. Zwischen und auch in den Wolken war keine Veränderung zu erkennen. Der Himmel lag über ihm wie ein gewaltiges Gemälde, das sich bis zum Horizont erstreckte.
Der Setter kam zu ihm und rieb seinen Körper an Sukos Beinen. Er streichelte den Hund automatisch, bis er plötzlich dessen leises Knurren hörte, was so gar nicht zu dieser friedlichen Stimmung passen wollte, die beide umgab.
Suko war mißtrauisch geworden. Er schaute nach vorn und sah dort auch die Veränderungen der Landschaft.
Die Hügel zeichneten sich als dunkle Buckel ab, wie in einem zu Eis erstarrten Meer. In der Nähe brannte kein Licht, und auch die Helligkeit hinter ihm im Haus verschwand, als Melvin durch die Tür trat.
Er hatte das Knurren des Setters ebenfalls gehört. »Was ist denn los, Corky?«
Der Hund knurrte weiter.
»Wissen Sie was, Suko?«
»Nein, ich habe keine Veränderung gesehen und denke nicht, daß es schon soweit
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