Geistersturm
unmittelbaren Nähe, und als ich in die Tiefe schaute, stellte ich fest, daß ich selbst in einer roten Lache stand.
Daß ich selbst diesen Vorgang nicht stoppen konnte, stand für mich fest.
Hier war etwas in Bewegung gesetzt worden, das sich letztendlich selbständig gemacht und eine Eigendynamik entwickelt hatte. Es gehörte einfach dazu. Das war ein Teil des großen Plans, und die Männer in Tomatin hatten dies auch gewußt.
Das Blut der Toten, der gefallenen Clan-Mitglieder, das lange genug auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Erde gelauert hatte, und auch Geraldine Sinclair war davon indirekt betroffen, davon ging ich einfach aus. Sie wußte mehr.
Wenn ich dem Geruch entgehen wollte, mußte ich das Schlachtfeld verlassen und mich dorthin wenden, wo auch Suko verschwunden war.
Nur hatte ich das wiederum nicht vor, denn ein Mensch wie ich war immer daran interessiert, ein magisches und unerklärliches Rätsel zu lösen. Besonders dann, wenn ich persönlich und durch ein bestimmtes Schicksal daran beteiligt war, denn ich durfte keinesfalls vergessen, daß ich selbst ein Sinclair war. Und der Sinclair-Clan hatte damals bei der Schlacht von Culloden eine besondere Rolle gespielt.
Wie auch Geraldine!
Ich hatte kaum an sie gedacht, als etwas geschah. Eine graue Wolke sah so aus, als wollte sie sich gegen den Boden drücken. Als ich sie genauer beobachtete, entstanden innerhalb der Wolke ungewöhnliche Gebilde, als wäre sie mit geisterhaften Monstren gefüllt worden. So etwas hatte ich bereits bei dem alles zerstörenden Todesnebel erlebt, nur als ich ein zweitesmal hinschaute, waren die Gestalten verschwunden.
Eine normale Wolke lag vor und über mir.
Aber der Himmel hatte sich verfärbt, was nicht an dem aus der Erde strömenden Blut lag. Die natürliche Zeiteinteilung hatte eingesetzt, und das Tageslicht war dabei, sich allmählich zurückzuziehen.
Die Dämmerung kroch vor.
Lang, grau, schattenhaft, und sie veränderte auch die Farbe des Himmels. Noch blieb das Blau, nur war es dunkler geworden.
Ich hörte hinter mir das leise Geräusch. Da schlich jemand durch das Gras.
Ich war nicht mehr allein!
Hastig fuhr ich herum.
Vor mir stand Geraldine Sinclair!
***
Suko war es nicht recht, seinen Freund allein zurückzulassen. Auf der anderen Seite dachte er praktisch. Sie brauchten einfach mehr Informationen, und er konnte sich vorstellen, daß die Bewohner des einsamen Gehöftes mehr wußten.
Sie waren im Haus. Nicht nur der abgestellte Geländewagen zeugte davon, auch der dünne Raucharm, der zittrig aus der Kaminöffnung in den Himmel stieg und sich verteilte, war ein Beweis dafür, daß sich jemand hinter den Mauern aufhielt.
Der BMW schaukelte über den unebenen Boden. Immer dann, wenn Suko das Kratzen hörte, das an der Bodenwanne entlangstrich, verzog er das Gesicht. Hier konnte man mit dem Flitzer nichts anfangen, da war ein Geländewagen wirklich besser.
Jenseits des Hauses standen Kühe und Schafe friedlich vereint auf einer Wiese. Keine Herde, von der man leben konnte; wer immer sich hier in diese Welt zurückgezogen hatte, mußte andere Gründe gehabt haben.
Vor dem Haus döste ein Hund. Ein irischer Setter, der sich erst dann bewegte, als Suko den Wagen ausrollen ließ und den Motor abstellte.
Träge kam das Tier auf den BMW zu. Es tat sehr gelangweilt. Daran wollte Suko nicht glauben. Er bekam den Beweis, als er den Wagenschlag öffnete. Plötzlich lief der Hund schneller, und aus seiner Kehle drang ein tiefes Knurren.
»Du wirst mir doch nichts tun«, sagte Suko so freundlich wie möglich, blieb aber zunächst noch im Auto.
Der Setter stand wenige Schritte neben ihm, sprungbereit. Suko blickte über das Tier hinweg auf die Haustür. Wenn sich jemand in dem Haus befand, hatte er die Ankunft des Fremden mitbekommen müssen, zudem hätte ihn das Verhalten des Hundes aufmerksam gemacht.
Suko irrte sich nicht, denn die Tür wurde geöffnet, und kurz darauf zeigte sich ein Mann in mittleren Jahren auf der Schwelle. Er stand einfach nur da und schaute Suko an, der dem Blick nicht auswich, weil er wußte, daß er begutachtet werden sollte.
Der Farmer oder wer immer er sein mochte, trug eine weit geschnittene und schlabberige Jacke, darunter einen Pullover und eine Arbeitshose aus blauem Drillichstoff. Sein Haar war braun, der Mann hatte es länger wachsen lassen, so daß es auch die Ohren bedeckte. Sein Gesicht zeigte eine wetterbraune Haut, in dem die hellen Augen besonders auffielen.
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