Geistersturm
Seit dem Verlassen des Hauses hatte er sich nicht bewegt und auch keinen Ton gesagt, nun aber lächelte er und nickte Suko entgegen.
»Guten Tag«, sagte der Inspektor.
»Sie können aussteigen, Mister.«
»Danke.«
»Mein Hund wird Ihnen nichts tun. Hätte ich Sie nicht bei mir gewollt, wären Sie schneller vertrieben worden, als Sie es sich hätten vorstellen können.«
»Das glaube ich Ihnen.«
»Kommen Sie.«
Suko stieg aus. Er schaute nicht mal zu dem Setter hin, der sehr ruhig geworden war und nicht mal zusammenzuckte, als Suko die Tür zuschlug. Er kam aber auf ihn zu, beschnüffelte ihn und ließ sich sogar streicheln.
»Kompliment«, sagte der Mann. »Sie haben bei ihm einen Stein im Brett. Das tut er nicht bei jedem. Sie können sich darauf verlassen, daß er Sie akzeptiert hat und Sie auch beschützen wird.«
Suko streichelte weiter. »Danke.«
»Und auch ich habe mich nicht geirrt«, sagte der Mann. Er kam auf Suko mit ausgestreckter Hand zu. »Wer sich hier in die Einsamkeit zurückgezogen hat, muß schon einen Blick für Menschen haben und wissen, ob sie willkommen sind oder nicht. Ich habe es in Ihren Augen abgelesen, daß Sie es ehrlich meinen.«
»Das können Sie.«
»Ja!« Die Aussage war schlicht, nicht übertrieben. Sie zeugte von einem großen Selbstbewußtsein, und Suko legte seine Hand in die des fremden Mannes.
»Ich heiße Suko und habe einen weiten Weg hinter mir.«
»Das dachte ich mir. Übrigens, ich bin Melvin Hunt. Ich sah Sie schon mal in der Nähe vorbeifahren. Kann es sein, daß Sie da zu zweit gewesen sind?«
»Kompliment, Sie haben gute Augen.«
»Kann sein, aber mein Glas ist besser.«
»Ach, so ist das. Sie beobachten Ihre Umgebung.«
Auf der sonnenbraunen Stirn des Mannes erschien eine steile Falte. »Ja, das stimmt.« Vieldeutig fügte er hinzu. »Wer sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, darf nicht meinen, daß er nun einsam ist. Auch hier können ihn die Auswucherungen der Welt erreichen. Kommen Sie bitte ins Haus, Suko, ich denke, daß Sie mich nicht grundlos besucht haben.«
»Das stimmt. Und was den zweiten Mann betrifft, da haben Sie richtig gesehen. Es gibt ihn, er ist nur zurückgeblieben. Es ist mein Freund John Sinclair…«
Hunt stutzte für einen winzigen Augenblick, dann sagte er leise. »Sinclair – ach ja?«
»Stört Sie das?«
»Im Prinzip nicht, aber vielleicht reden wir später darüber. Ich habe Tee gekocht. Wenn Sie eine Tasse mittrinken wollen, sind Sie herzlich eingeladen.«
»Gern, danke.«
Das Haus war in seinem Innern ziemlich dunkel, und die Einrichtungsgegenstände sahen aus, als hätte sie der Hausherr selbst angefertigt. Im Kamin knisterte ein Feuer. Der Rauch zog in die Höhe, um sich über dem Dach zu verteilen.
Mehrere kleine Fenster ließen nur wenig Licht herein. Elektrisches Licht gab es auch. Ein Generator spendete die Energie, wie Hunt erklärte.
Der Setter war als Wächter draußen geblieben, und Suko nahm auf einem Stuhl neben dem Fenster Platz.
Hunt trat mit zwei gefüllten Tassen an den Tisch. Er setzte sich ebenfalls. Das Aroma des Tees stieg in Sukos Nase und gab ihm ein wohliges Gefühl. Er lächelte vor sich hin, als er trank. »Das ist eine sehr gute Qualität.«
»Danke, Suko, das sagt meine Frau auch immer.«
»Ist sie auch hier?«
»Momentan nicht. Sie hält sich in Glasgow auf, wird aber zurückkehren, sobald es wärmer ist. Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn sie mal für einige Wochen in die Stadt zu ihren Verwandten fährt. Außerdem ist sie so etwas wie meine Agentin, denn sie verhandelt mit den Verlagen über Verträge, Lizenzen und so weiter.«
»Dann sind Sie Schriftsteller?«
»Sie haben es erfaßt.«
»Und schreiben worüber?«
Melvin Hunt strich sein Haar zurück. »So einfach ist das nicht zu beantworten. Würde ich sagen, daß ich historische Romane schreibe, hätte ich ebenso recht, als gäbe ich eine andere Erklärung.«
»Welche?«
»Unterhaltung«, erwiderte der Mann achselzuckend. »Unterhaltung mit historischem Background.«
Suko lächelte vor sich hin. »Dann sind Sie hier ja richtig, stelle ich mir vor.«
»Sie meinen Culloden?«
»Was sonst?«
»Da muß ich Ihnen recht geben. Dieses Gebiet ist tatsächlich interessant, und ich habe mich hineingekniet, denn ich möchte da einige Dinge recherchieren.«
»Dreht es sich dabei um die Schlacht?«
Diesmal lächelte Melvin Hunt. »Natürlich, daran kommt man einfach nicht vorbei. Aber die Schlacht steht bei mir
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