Geistersturm
geisterhaften Gestalten in Schlangenlinien, als wollten sie sich drehen und verändern und dafür sorgen, daß aus ihnen wieder neue Kraftgebilde wuchsen. Culloden kam uns noch leerer vor als bei unserem Erscheinen. Ich wußte selbst nicht, woran es lag. Vielleicht war der Wind kälter geworden, möglicherweise vermißte ich auch die anderen Menschen und sogar Geraldine.
Aber es blieb nicht so.
Der Himmel über uns blähte sich plötzlich auf. Zumindest konnte man diesen Eindruck bekommen. Er lag nicht mehr so flach und glatt vor uns, sondern hatte eine Wölbung bekommen, als wäre dünnes Glas nach außen gedrückt worden.
Der neue Beginn?
Ich hielt den Atem an. Über meinem Rücken rann ein Eisschauer. Jeden Augenblick rechnete ich mit einem weiteren Angriff. Ich suchte auch die Umgebung nach Geraldine Sinclair ab, aber sie war nicht zu sehen.
Dafür vernahm ich wieder das unheimliche Heulen und Pfeifen.
Dazwischen ein hartes Knattern, als wären irgendwelche Finger dabei, auf Knochen zu trommeln.
Der Sturm braute sich zusammen.
Am Himmel erschien Bewegung. Wolken, die sich in der Zwischenzeit wieder gebildet hatten, bekamen den nötigen Drall und wischten wie kompakte Tücher hoch über unsere Köpfe hinweg.
Es roch nach Gewalt, nach Sturm, und eine erste Bö peitschte heran.
Sie hätte uns beinahe umgerissen. Suko und ich klammerten uns gegenseitig fest, um auf den Beinen zu bleiben. Wir behielten aber die Blicke in die Höhe gerichtet, um die Gestalten erkennen zu können.
Und sie kamen.
Riesige Geister, die fast wie Leiber aussahen. Mächtige, feinstoffliche Wesen, ähnlich wie monströse Fische, deren Mäuler offenstanden.
***
Das war der Horror!
Das war der Sturm, der auf uns niederfegte. Ein Orkan aus der Geisterwelt, von dem sich allerdings eine Person nicht hatte stoppen lassen. Es war Geraldine Sinclair, und sie hockte wie eine Reiterin auf oder zwischen den Geistwesen, um sich von ihnen treiben zu lassen.
Nein, sie ließ sich nicht treiben.
Sie war angetreten, um zu kämpfen, denn sie hielt tatsächlich mehrere ihrer Schwerter hoch, und ihre wilden Schreie peitschten in unsere Ohren.
Im nächsten Augenblick riß es auch uns von den Beinen!
Etwas prallte gegen meinen Hals. Es war Sukos rechter Schuh, denn er lag ebenso schräg in der Luft wie ich und bekam seine Glieder nicht mehr unter Kontrolle.
Die andere Kraft machte mit uns, was sie wollte. Sie zerrte und schob, sie drückte uns nieder, riß uns einen Moment später wieder in die Höhe, und wir waren innerhalb des Geistersturms nicht mehr als nur lose Papierfetzen im Wind.
Wie tief der Boden unter uns lag, daran wagte ich nicht zu denken. Der Sturm zerrte an meinen Haaren. Er peitschte und hämmerte sie immer wieder gegen meinen Kopf. Ich hatte den Eindruck, als wollten mir die Gewalten die Knochen im Körper zerreißen.
Dicht vor mir sah ich sie. Unheimliche Wesen, mörderische Gestalten, kalt wie Eis, die nach mir griffen, als wollten sie mich erstarren lassen.
Sie faßten nicht richtig zu. Sie waren da und doch nicht da. Ich spürte sie als Hauch, und selbst das Kreuz auf meiner Brust schien allmählich zu Eis werden zu wollen.
An meiner rechten Seite trudelte Suko vorbei.
Auch er schlug um sich, aber seine Bewegungen waren ebenso langsam wie die meinen. Wir konnten nicht viel tun. Es gab keine Waffen, die wir gegen unsere Feinde hätten einsetzen können.
Diese Welt war nicht mehr die unsrige, wir waren in einem Geisterreich gefangen und dem Totengräber dort wahrscheinlich auf die Schaufel gehüpft.
Bis ich das Schimmern, das Blitzen und die Reflexe wahrnahm. Und plötzlich war sie da. Sie ritt auf dem Sturm, sie war eine, die in etwa zu den anderen gehörte. Als Verräterin war sie bezeichnet worden, nun aber wurde Geraldine zu einer Zerstörerin. Suko und ich bekamen mit, wie perfekt sie mit ihren Waffen umgehen konnte. Sie schlug zugleich in verschiedene Richtungen. Die Schwerter bohrten sich in die Geistwesen hinein. Sie waren mit einer Kraft erfüllt, die auch gegen feinstoffliche Gestalten ankamen. Geraldine trieb nicht mehr, sie lag auch nicht. Sie hatte es erreicht, sich auf die Füße zu stemmen, und sie schlug immer wieder auf die herabsausenden Angreifer ein.
Suko und ich trudelten durch den Sturm, ohne uns irgendwo halten zu können. In diesem Fall waren wir nichts anderes als Statisten und würden es auch wohl bleiben.
Da irrten wir uns.
Plötzlich tauchte Geraldine dicht vor mir auf. Ich schaute direkt
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