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Gejagt

Gejagt

Titel: Gejagt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.C. Cast , Kristin Cast
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Mondfinsternis ihren Schatten über den Glanz des Mondes wirft.
    Endlich fand ich die Schachtel mit den
Medea
-Texten. Ich trug sie an Beccas Tisch und ließ sie darauf fallen. Als Becca mich bitterböse anstarrte, sagte ich: »Hier. Teil das aus.« Und ohne ein weiteres Wort verließ ich den Raum.
    Sobald ich draußen war, verdrückte ich mich in den Schatten des Schulgebäudes und lehnte mich an das eisglatte Mauerwerk aus Felssteinen und Ziegeln, aus dem die Gebäude des House of Night und die Mauer um das Schulgelände bestanden. Ich zitterte. Nur ein kurzer Auftritt, und schon hatte Kalona eine ganze Schulklasse gegen mich aufgebracht. Es hatte keine Rolle gespielt, dass ich ihn nicht mit offenem Mund angesabbert hatte wie alle anderen. Oder dass ich ihn verärgert hatte. Alles, was bei diesen Kids angekommen war, waren seine betörende Schönheit und die Tatsache gewesen, dass er mir besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet hatte – mehr als jedem anderen von ihnen.
    Und dafür hassten sie mich.
    Aber das war nicht alles. Am beängstigendsten und unglaublichsten war, dass sie angefangen hatten, auch Nyx zu hassen.
    »Ich muss dafür sorgen, dass er hier verschwindet.« Ich sprach es laut aus, und es wurde zu einem Schwur. »Egal was passiert, Kalona wird dieses House of Night verlassen.«
    Langsam schlenderte ich zu den Stallungen. Nicht nur, weil ich so früh aus der letzten Stunde gekommen war und mir die Zeit totschlagen musste, bis Pferdekunde anfing. Ich ging auch deshalb so langsam, weil ich wahnsinnig vorsichtig sein musste, nicht auszurutschen und auf den Po zu fallen. So wie ich mich kannte, würde ich mir was brechen und mich neben allem anderen auch noch mit einem oder zwei Gipsverbänden rumschlagen müssen.
    Irgendjemand hatte den Fußweg mit einem Sand-Salz-Mix bestreut, aber das half wenig gegen den Eissturm, der immer weiter tobte. Welle um Welle des eisigen Regens prasselte herab und verwandelte die Welt in eine gigantische Torte mit dickem Zuckerguss. Es war schon schön, aber auf gespenstische, traumartige Weise. Während ich rutschend und balancierend die paar Meter vom Probenraum zu den Ställen entlangschlitterte, wurde mir klar, dass wir sechs niemals zu Fuß von hier verschwinden, geschweige denn die ungefähr anderthalb Kilometer bis zum Benediktinerkloster an der Ecke Lewis Avenue und Einundzwanzigste Straße hinter uns bringen konnten.
    Am liebsten hätte ich mich mitten auf die glitschige, frostige Trostlosigkeit gehockt und wäre in Tränen ausgebrochen. Wie sollte ich uns nur hier rausbringen? Wir brauchten den Hummer, aber ich konnte ihn nicht verschleiern. Also blieb uns nur die Flucht zu Fuß, aber das war selbst unter normalen Umständen nicht schnell genug. In dem Eissturm, der Straßen und Gehwege in ganz Tulsa mit einer Hülle aus nachtfarbenem Eis überzogen hatte, war es nicht nur zu langsam, sondern schlichtweg unmöglich.
    Ich hatte fast den Stalleingang erreicht, als ich aus den Zweigen der dicken alten Eiche, die wie ein Wachtposten neben dem Gebäude stand, das spöttische
Kro-oak
hörte. Mein erster Impuls war, so schnell wie möglich nach drinnen zu schlittern. Ich fing sogar an, mich zu beeilen, aber dann packte mich die Wut. Ich hielt an, holte tief Luft, um mich zu sammeln, und ignorierte willentlich die grausigen Menschenaugen, die mich aus dem Baum anstarrten und mir die Härchen im Nacken zu Berge stehen ließen.
    »Feuer, ich brauche dich«, flüsterte ich und sandte meine Bitte nach Süden, in die Himmelrichtung, die dem lodernden Element zu eigen war. Fast im selben Moment spürte ich die Liebkosung der Hitze auf meiner Haut, und die Luft um mich schien zu warten, zu lauschen. Ich drehte mich um und sah in die eisverkrusteten Zweige der würdigen alten Eiche hinauf.
    Statt eines Rabenspötters schwebte mitten im Baum, dort wo sich der Stamm in die ersten massiven Äste teilte, ein entsetzliches geisterhaftes Bild von Neferet. Etwas Finsteres, Böses ging von ihr aus. Obwohl es windstill war, wogte ihr langes Haar um ihren Körper, als besäße jede Strähne einen eigenen Willen. Ihre Augen glühten scheußlich rot, eher rostfarben als leuchtend. Ihre Gestalt war durchsichtig, und ihre Haut schimmerte in unirdischem Glanz.
    Ich klammerte mich an den einzigen Gedanken, der meine Angst so weit zum Schmelzen brachte, dass ich sprechen konnte: Wenn ihr Körper durchsichtig war, dann war sie nicht wirklich hier.
    »Haben Sie nichts Besseres zu tun, als mir

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