Gejagt
nachzuspionieren?« Ich war froh, dass meine Stimme nicht zitterte. Ich hob sogar das Kinn und funkelte sie zornig an.
»Du und ich haben noch etwas miteinander zu klären.«
Ihre Lippen bewegten sich nicht, aber das geisterhafte Echo ihrer Stimme war deutlich zu hören.
Ich rümpfte die Nase so hochnäsig wie Aphrodite. »Okay, vielleicht haben
Sie
nichts Besseres zu tun, als mir nachzuspionieren. Aber
ich
hab gerade zu viel zu tun, um mich von Ihnen nerven zu lassen.«
»Mir scheint, du hast wieder einmal eine Lektion darin nötig, dass man Respekt vor Älteren haben sollte.«
Vor meinen Augen begann sie zu lächeln, und ihr wunderschöner, voller Mund wurde breiter und breiter, bis mit einem grausamen Würgelaut ein Schwall von Spinnen aus dem klaffenden Schlund hervorbrach und Neferets Bild sich in Hunderte und Aberhunderte der wimmelnden vielbeinigen Krabbeltiere verwandelte.
Ich sog die Luft ein, um hemmungslos zu kreischen, und stolperte schon rückwärts, da hörte ich das Flattern riesiger Flügel, und ein Rabenspötter landete in der Astgabel des Baumes. Ich blinzelte in der Erwartung, dass gleich die Spinnen auf ihm herumschwärmen würden, aber sie begannen zu flimmern und schienen von der Nacht aufgesogen zu werden. Zurück blieben nur der Baum, der Rabenspötter und meine Angst, die mich nicht verließ.
»Zzzzoey«, zischte das Wesen meinen Namen. Offensichtlich war das einer von denen, die in der Hierarchie ganz unten standen, denn seine Sprachfähigkeiten waren nicht annähernd so kultiviert wie die von Rephaim. »Du ssssstinkst nach Sssssommer.« Er öffnete den pechschwarzen Schnabel, und ich sah die gegabelte Zunge gierig zucken, als nähme sie meinen Geruch auf.
Okay. Das reichte. Neferet hatte mir einen Heidenschrecken eingejagt, und jetzt wollte dieser … dieser …
Vogelheini
mir auch noch blöd kommen? Himmel. Nein.
»Also gut, ich hab von euch Idioten die Nase gestrichen voll, und davon, dass euer Dad und Neferet glauben, sie könnten sich hier einfach alles unter den Nagel reißen, ebenfalls.«
»Vvvvvater ssssagt, finde Zzzzoey. Ich finde Zzzzzoey. Vvvvater ssssagt, beobachte Zzzzoey. Ich beobachte Zzzzoey.«
»Nein. Nein. Nein! Was nervende Väter angeht, die mir hinterherschnüffeln und mich kontrollieren wollen, hab ich schon mit meinem Stiefpenner genug. Für dich und deinen Daddy und den Rest von eurer Rabenbrut und auch für Neferet gilt: Rückt. Mir. Von. Der. Pelle!« Ich hob die Hände und schleuderte das Feuer auf ihn. Er kreischte, flatterte auf und flog im Zickzack mit wilden Flügelschlägen davon, so schnell er konnte. Mit der zurückkehrenden Stille senkte sich der Gestank nach versengten Federn über mich.
»Hör mal, es ist nicht gerade schlau, sie gegen sich aufzubringen«, sagte da eine Stimme hinter mir. »Normalerweise sind sie nur nervig, aber wenn man ihnen auf den Schwanz tritt, werden sie so gut wie unerträglich.«
Ich drehte mich zum Stallgebäude um. In der offenen Tür stand Stark.
Achtundzwanzig
» D as ist einer der Unterschiede zwischen dir und mir. Du willst mit ihnen klarkommen. Ich nicht. Deshalb ist es mir schnurzegal, wenn sie mich nicht abkönnen«, erklärte ich Stark. Dann raffte ich den Rest meiner Angst zusammen und verwandelte sie in Wut. »Und weißt du was? Im Augenblick hab ich keine Lust, mir noch mehr darüber anzuhören.« Noch immer leicht sauer fügte ich hinzu: »Hast du das gesehen?«
»Was? Den Rabenspötter?«
»Nein, die ekligen Spinnen.«
Er sah überrascht aus. »Da waren Spinnen im Baum? Wirklich?«
Ich stieß frustriert den Atem aus. »In letzter Zeit bin ich nicht so sicher, was hier wirklich und was nur Schein ist.«
»Ich hab immerhin gesehen, dass du ziemlich angepisst wirktest und das Feuer durch die Gegend geschleudert hast wie einen Beachball.«
Ich sah seinen Blick zu meinen Händen wandern und bemerkte, dass diese nicht nur immer noch zitterten, sondern auch noch in eine glühende Flammenaura gehüllt waren. Ich sog zur Beruhigung tief die Luft ein und befahl dem Zittern aufzuhören. Dann sagte ich mit viel ruhigerer Stimme: »Danke, Feuer. Du kannst jetzt gehen. Oh, warte mal. Könntest du zuerst noch ein bisschen von diesem Eis für mich schmelzen?« Ich deutete mit meinen flammenleuchtenden Händen auf das Stück Fußweg zwischen mir und den Ställen. Wie ein Miniflammenwerfer sprühte das Feuer fröhlich aus meinen Fingerspitzen und leckte übermütig an dem dicken Eisüberzug, bis der sich in
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