Gejagt
daran, ich wusste schon, dass etwas mit Neferet nicht stimmte. Mir war klar, dass jemand, von dem sie so begeistert war, niemand war, mit dem ich etwas zu tun haben wollte. Daher habe ich mich mit anderen Gedanken abgelenkt.«
Unsere Blicke trafen sich und blieben ineinander haften. Natürlich hatte Erik gewusst, dass mit Neferet nicht alles stimmte, weil er Zeuge gewesen war, wie ich mit ihr aneinandergeraten war. Außerdem hatte er zu dem Zeitpunkt schon begriffen, dass ich ihn nur deshalb betrogen und mich mit dem Vampyr-Meisterpoeten Loren Blake eingelassen hatte, weil Neferet diesen dazu angestiftet hatte, mich zu verführen, um mich von meinen Freunden zu isolieren.
»Also hat Kalona auf die roten Jungvampyre nicht denselben Einfluss wie auf die regulären«, sagte Darius indessen. »Obgleich mir scheint, auch diese können seinen Reizen widerstehen, wenn es sein muss. Und was Erik beschreibt, bestätigt meinen eigenen Eindruck, dass Vampyre nämlich für seinen Zauber nicht ganz so empfänglich sind wie Jungvampyre.« Er hielt inne und fragte Jack: »Wärst du gern geblieben und hättest dich ihm zu Füßen geworfen?«
Jack schüttelte den Kopf. »Nee. Aber ich hab ihn auch gar nicht so richtig angeschaut. Ich meine, ich hatte totale Angst um Stevie Rae, und außerdem wollte ich Damien nicht verlieren. Und drittens war Duchess total aus dem Häuschen wegen S-t-a-r-k.« Er buchstabierte den Namen und streichelte Duchess dabei. »Da musste ich mich um sie kümmern.«
»Warum hat er dich nicht betört?«, fragte ich Darius.
Ich sah, wie sein Blick kurz zu Aphrodite huschte, die weinselig an ihrem Sandwich knabberte. »Ich hatte andere Dinge im Kopf.« Er hielt inne. »Wobei ich seine Anziehungskraft durchaus gespürt habe. Aber denk daran, bei mir lagen die Dinge etwas anders als bei meinen Brüdern. Keiner von ihnen war mit eurer Gruppe so vertraut wie ich. Wenn ein Sohn des Erebos gelobt, jemanden zu beschützen, so wie ich, als ich begann, dich und Aphrodite zu begleiten, so wird daraus ein starkes Band.« Er lächelte mich freundschaftlich an. »Oft wird eine Hohepriesterin ihr ganzes Leben lang von derselben Gruppe Krieger beschützt. Nicht zufällig wurden wir nach Erebos, dem treuen Gefährten unserer Göttin, benannt.«
Ich erwiderte sein Lächeln und hoffte inständig, Aphrodite würde nicht so fies sein und sein ehrenhaftes Herz brechen.
Plötzlich fragte Jack: »Was glaubt ihr eigentlich, was da oben gerade los ist?«
Alle Blicke wanderten automatisch nach oben an die gewölbte Decke des kleinen Tunnelzimmers, und ich wusste, ich war nicht die Einzige, die froh über die dicke Erdschicht war, die zwischen uns und ›da oben‹ lag.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich – es war besser, die Wahrheit zu sagen, als irgendeine sinnlose Beschwichtigung à la ›
bestimmt wird alles gut
‹. Ich dachte gründlich nach und wählte meine Worte sorgfältig. »Wir wissen, dass ein Unsterblicher aus grauer Vorzeit aus seinem Gefängnis in der Erde ausgebrochen ist. Wir wissen, dass er von Wesen begleitet wird, die so was wie Dämonen sind, und dass er beim letzten Mal, als er auf der Erde war, Frauen vergewaltigt und Männer versklavt hat. Wir wissen, dass unsere Hohepriesterin und vielleicht alle, die noch vom House of Night übrig geblieben sind – na ja, ich weiß nicht, wie ich’s besser ausdrücken soll –, zur dunklen Seite übergewechselt sind.«
In die Stille, die auf meine Worte folgte, sagte Erik: »Man kann so was ruhig mit
Star-Wars
-Worten ausdrücken. Das funktioniert immer.«
Ich grinste ihm zu, dann wurde ich wieder ernst. »Was wir nicht wissen, ist, wie viel Schaden Kalona und die Rabenspötter in der Stadt angerichtet haben. Erik meinte, da draußen sei ein Eisregengewitter, aber das muss keine übernatürliche Ursache haben. Ich meine, in Oklahoma kann das Wetter wirklich bizarr werden.«
»Oooooo-klahoma!«
, grölte Aphrodite. »Eisregen, Staubstürme, Hauptsache, alles wird platt gemacht!«
Ich verbiss mir einen Seufzer und ignorierte unser Vision Girl samt Prägung und Promille. »Was wir wiederum wissen, ist, dass wir hier unten ziemlich sicher sind. Wir haben ein Obdach, genug zu essen und so weiter.«
Wenigstens hoffte ich, dass uns hier unten nichts blühen würde.
Ich klopfte auf das Bett, das mit hübschem hellgrünen Bettzeug bezogen war. »Hey, apropos ›und so weiter‹: Wie habt ihr das ganze Zeug hier runtergekriegt?«, fragte ich Stevie Rae. »Versteh mich
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