Gejagt
gesagt, dass ich Schriftsteller werde. Berühmt und reich mit Gold Card.«
Vage bekam ich mit, wie Erik sich in das Gespräch einmischte. Aber meine gesamte Aufmerksamkeit hatte sich auf ein kurzes Gedicht gerichtet, das in Schwarz auf einem blutroten Plakat stand. »Hast du das hier auch geschrieben?«, fragte ich, ohne mich darum zu scheren, dass sie sich gerade stritten, ob sie Robert Frost oder Emily Dickinson besser fanden.
»Hab ich alle geschrieben«, sagte sie. »Hab immer gern geschrieben, aber seit ich Gezeichnet bin, ist immer mehr geworden. Kommen mir andauernd Gedichte. Hab ich gedacht, vielleicht kann ich auch andere Sachen schreiben. Gedichte ist okay, aber gibt keine Kohle. Hab ich in der Bibliothek auch recherchiert, welche Schriftsteller gut verdienen, weil hat lange Öffnungszeiten, wisst ihr. Jedenfalls, für Gedichte kriegst du –«
»Kramisha«, unterbrach ich sie, »wann hast du das hier geschrieben?« Mein Magen fühlte sich komisch an, und mein Mund war staubtrocken.
»Hab ich alle in letzte Tage geschrieben. Seit wir wieder von Stevie Rae unsere Verstand gekriegt haben. Davor hab ich nicht viel gedacht außer Menschen fressen.« Sie lächelte entschuldigend und hob eine Schulter.
»Also hast du das hier – das in Schwarz – auch in den letzten Tagen geschrieben?« Ich deutete auf das Gedicht.
Schatten in Schatten
Dahinter sein Blick
sein Traum (durch Träume hindurch)
Schwingen schwarz wie Afrika
Steinern die Glieder, stark
haben lange gewartet
nun ruft der Rabe.
Als Jack es las, keuchte er auf.
»Oh Göttin«, hörte ich Erik leise sagen, als auch er es gelesen hatte.
»Ist leicht. War mein Letztes, hab ich gestern geschrieben. Ich war …« Da begriff sie unsere Reaktion und unterbrach sich. »Mist. Ist von ihm!«
Acht
» W ie kamst du darauf, das zu schreiben?«, fragte ich, unfähig, den Blick von den schwarzen Wörtern abzuwenden.
Kramisha hatte sich schwer auf ihr Bett fallen lassen. Mit einem Mal sah sie fast so erschöpft aus wie Stevie Rae. Sie schüttelte den Kopf, so dass ihre Haare um ihre ebenmäßigen Wangen tanzten. »War einfach da, wie alles, was ich schreibe. Kommen einfach Sachen in mein Kopf, und dann schreib ich auf.«
»Was hast du denn geglaubt, was es bedeutet?«, fragte Jack, der ihr den Arm tätschelte, ganz ähnlich, wie er sonst Duchess liebkoste (die sich zu seinen Füßen hingelegt hatte).
»Hab ich nicht nachgedacht. Ist mir gekommen, hab ich’s hingeschrieben. Fertig, aus.« Sie machte eine Pause, warf einen Blick auf das Plakat und sah schnell wieder weg, als hätte sie Angst vor dem, was sie dort sah.
Ich nahm die anderen Gedichte auf dem Plakat in Augenschein. »Sind das alles Gedichte, die du seit Stevie Raes Wandlung geschrieben hast?« Es waren mehrere Haiku dabei.
Augen ohne Schlaf
In Schatten voller Schatten
Fällt schwarze Feder
Einst geliebt, verehrt
doch Verrat spuckt ins Gesicht
Rache träufelt süß
»Gesegnete Nyx«, erklang hinter mir Eriks fassungslose Stimme, so leise, dass nur ich es hörte. »Die handeln ja alle von ihm.«
»Wieso ›träufelt süß‹?«, fragte Jack Kramisha.
»Weißt du, hab ich mir Eiscreme vorgestellt oder Schokolade, schmilzt in Hitze von Rache.«
Erik und ich bewegten uns von Plakat zu Plakat. Je mehr ich las, desto fester zog sich der Knoten in meinem Magen.
Sie gingen
Fehl
Tintenflecken aus schlechter Feder
Verworfen jener andern wegen
Aufgebraucht
Doch kehrt er wieder
In Nacht gehüllt
Und Königsglanz
Mit seiner Königin
Und Fehler
Werden gut
So gut
Ich deutete auf das Gedicht, das ich gerade gelesen hatte. »Kramisha, woran hast du gedacht, als du das hier schriebst?«
Sie zuckte wieder mit der einen Schulter. »Hab ich vielleicht an uns gedacht, wie wir nicht im House of Night sind. Ich meine, klar, in der Erde ist besser für uns, aber war einfach nicht richtig, dass nur Neferet von uns weiß. Neferet ist falsche Hohepriesterin.«
»Kramisha, könntest du mir den Gefallen tun und all diese Gedichte für mich abschreiben?«
»Hab ich nicht gut gemacht, denkst du?«
»Nein, ich denke ganz und gar nicht, dass du was nicht gut gemacht hast«, versicherte ich und hoffte, dass meine Instinkte mich diesmal richtig leiteten und ich nicht wieder Fledermäuse im Dunkeln jagte. »Ich glaube, du hast eine Gabe von Nyx. Ich will nur sichergehen, dass wir diese Gabe richtig anwenden.«
»So wie ich das sehe, hat sie das Zeug zum Meisterpoeten der Vampyre. Wäre
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