Gejagt
hätte. Jetzt hatten die Rabenspötter ihre Körper wieder, und ich wusste, wenn ich nicht ganz schnell handelte, würde dieses Ding Heath töten.
Mit einem Schrei machte ich meiner Angst und Wut Luft, warf mich auf Heath und stieß ihn um, eine Millisekunde bevor der Rabenspötter ihn erreichte. Und statt seiner erwischte er mich. Im ersten Moment spürte ich keinen Schmerz, nur einen seltsamen Druck, der oben an meiner linken Schulter begann und sich quer über meine Brust, knapp oberhalb des Busens, bis an meine rechte Schulter fortsetzte. Von der Wucht des Hiebs mitgerissen, machte ich eine halbe Drehung, daher blieb ich dem Rabenspötter zugewandt, während er an uns vorbeisauste und auf seinen widerlichen Menschenbeinen ein Stück neben uns landete.
Bei meinem Anblick weiteten sich seine blutfarbenen Augen. »Nein!«, kreischte er mit einer Stimme, die keinem geistig gesunden Wesen gehören konnte. »Er will dichhhh lebend!«
»Zoey! Oh Gott, Zoey! Komm hinter mich!«, schrie Heath und versuchte, sich aufzurappeln, glitt aber auf dem eisigen Pflaster aus, das jetzt komischerweise schmierig rot war, und fiel wieder hin.
Ich dachte, wie seltsam es doch war, dass er so klang, als säße er tief in einem Tunnel, dabei kauerte er doch gleich neben mir.
Aus einem unerfindlichen Grund gaben meine Knie nach, und ich fiel nach vorn auf das Pflaster. Das scheußliche Rascheln der riesigen Flügel des Rabenspötters lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf diesen. Tatsächlich, das Ding hatte die Flügel ausgebreitet. Zweifellos wollte es wieder auf mich losgehen. Ich hob die Hand, die sich schwer und warm anfühlte. Als mein Blick darauf fiel, erschrak ich, weil sie blutig war.
Blut? Ist das etwa das Zeug auf dem Boden? Komisch.
Mit einem gedanklichen Schulterzucken tat ich die größer werdende Blutlache ab und rief: »Wind, komm zu mir!«
Jedenfalls dachte ich, ich würde rufen. In Wahrheit kam aus meinem Mund kaum ein Flüstern. Zum Glück hat der Wind gute Ohren – im selben Moment regte sich auch schon die Luft um mich.
»Hindere das Ding am Abheben«, sagte ich. Der Wind gehorchte sofort, und der groteske Vogelmann wurde von einem wunderbaren Minitornado eingehüllt, in dem seine Flügel nutzlos waren. Mit einem hässlichen Kreischen faltete er sie auf dem Rücken und stapfte, den missgestalteten Kopf gesenkt, durch die heftigen Böen auf mich zu.
»Zoey! Scheiße, Zoey!« Irgendwie war Heath plötzlich neben mir, und sein starker Arm legte sich um mich, was gut war, weil ich das Gefühl hatte, gleich umzukippen.
Ich lächelte ihn an und fragte mich, warum er weinte. »Gleich. Muss das Ding fertigmachen.« Müde wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Vogelmenschen zu. »Feuer, ich brauch dich.« Sofort breitete sich Hitze in der wirbelnden Luft um mich aus. Mit dem Zeigefinger der blutigen Hand, die ich noch ausgestreckt hielt, zeigte ich auf das Wesen, das näher und näher kam. »Verbrenn das.«
Die Intensität der Hitze um mich veränderte sich: aus der wohltuenden Wärme wurde eine Säule verzehrender Flammen, die sich in die Richtung bewegte, in die mein Finger und mein Wille wiesen. Kaum traf sie auf den Rabenspötter, als die gelben Flammen ihn umschlossen und wütend aufloderten. Der Geruch nach schmorendem Fleisch und verbrannten Federn breitete sich aus. Ich war nahe daran zu kotzen.
»Uh, brrks. Danke, Feuer. Wind, kannst du diesen Gestank wegblasen, bevor du gehst?« Es war total seltsam, dass ich immer das Gefühl hatte, sehr laut zu sprechen, und trotzdem nur ein winziges Flüstern aus meinem Mund kam. Die Elemente gehorchten mir trotzdem, was nur gut war, denn jetzt übermannte mich eine Woge von Schwindel und Übelkeit, und plötzlich sackte ich in Heath’ Armen zusammen, unfähig, mich weiter aufrecht zu halten.
Ich versuchte zu kapieren, was mit mir nicht stimmte, aber in meinem Gehirn war alles dumpf und neblig, und momentan schien es sowieso seltsam unwichtig zu sein, genau zu wissen, was los war.
Weit in der Ferne hörte ich schnelle Schritte, und Heath’ tränenüberströmtes Gesicht über mir schrie: »Hilfe! Hier sind wir! Zoey braucht Hilfe!«
Dann war mit einem Mal Eriks Gesicht neben Heath’. Alles, was ich denken konnte, war:
Oh super, jetzt geht die Streiterei wieder los.
Aber nichts dergleichen. Tatsächlich kam bei dem, was Erik tat, als er mich sah, eher so was wie eine distanzierte, leicht verwunderte Besorgnis in mir auf.
»Oh Shit!«, sagte er und wurde sehr
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