Gejagte Der Dämmerung -9-
umbringen, wenn er dieses russische Roulette verlor und das Ding im nächsten Augenblick in die Luft ging. Während Corinne weinte und ihn vergebens anflehte aufzuhören – und die Vision sich genauso abspielte wie von Mira prophezeit –, entzog Hunter ihr seinen Arm.
Dann ließ er seine Faust auf das Halsband niedersausen.
Es zersprang.
Das tödliche Halsband zerbröckelte einfach um Nathans umwickelten Kopf.
Hunter stand auf und trat von dem Jungen zurück, und Corinne warf die Arme um ihn.
»Oh mein Gott«, keuchte sie, klammerte sich an Hunter und lachte und weinte durcheinander. »Oh mein Gott … ich glaub’s einfach nicht. Hunter, es hat wirklich funktioniert!«
Nathan lag noch einen Augenblick reglos auf dem Boden. Dann streckte er die Hand aus und zog sich das Tank-Top vom Kopf. Er stand auf und drehte sich zu ihnen um. Seine Finger zitterten ein wenig, als er die nackte Haut an seinem Hals betastete.
Da war nichts mehr, nur noch ein weißlicher Streifen, wo die Chemikalien ihn verbrannt hatten, aber die Haut würde schnell wieder heilen. Das Wunder war geschehen – er war frei.
»W…was habt ihr mit mir gemacht?«, fragte er, die ersten Worte, die er an sie richtete. Seine Stimme war tief, noch heiser vom Stimmbruch.
»Du bist frei«, sagte Hunter zu ihm. »Jetzt kann dich niemand mehr kontrollieren. Dank der Liebe deiner Mutter und ihrer Entschlossenheit, dich zu finden, bist du endlich frei und kannst leben, wie du willst.«
Corinne trat von Hunter fort und streckte die Hände liebevoll nach ihrem Sohn aus. »Ich will dich mit nach Hause nehmen, Nathan. Wir können jetzt eine Familie sein.«
Als sie sich ihm näherte, warf er ihr einen argwöhnischen Blick zu. Misstrauisch runzelte er die Stirn und schüttelte leicht seinen rasierten Kopf.
Zuerst noch wachsam, dann in die Enge getrieben. Bevor Hunter die Veränderung in dem Jungen registrieren konnte, war Nathan schon in Bewegung. Mit der übernatürlichen Geschwindigkeit des Stammes hatte er eine der scharfen Scherben seines Halsbandes aufgehoben und drückte sie Corinne an die Kehle. Sie keuchte auf, völlig unvorbereitet auf den Angriff.
Hunter knurrte, seine Augen waren auf die zackige, improvisierte Klinge gerichtet, die gegen die Halsschlagader seiner Stammesgefährtin gepresst war. Ob dieser Junge ihr Fleisch und Blut war oder nicht, er hatte sich eben zum Feind erklärt.
Und Hunter würde nicht zögern, ihn zu töten, wenn die Situation auch nur um einen Deut eskalierte.
Selbst noch als Nathan rückwärts mit ihr auf die offene Luke des Kastenwagens zuging, flehte Corinne Hunter mit den Augen an, ihn zu verschonen. »Nathan«, sagte sie und versuchte noch einmal, zu ihrem Sohn durchzudringen. »Du musst keine Angst haben. Wir wollen deine Freunde sein. Lass uns deine Familie sein. Gib mir die Chance, die Mutter für dich zu sein, die ich hätte sein sollen.«
Er ging weiter auf die Luke zu und sagte nichts, der scharfe Kunststoff lag immer noch an ihrer Arterie.
»Nathan«, sagte Corinne. »Bitte, lass mich dich lieb haben …«
Er stieß sie nach vorne, wies alles brutal zurück, was sie zu ihm gesagt und für ihn getan hatte.
Dann floh er aus dem Kastenwagen in die Wälder, als bereits das erste Licht der Morgendämmerung am Horizont erschien.
32
Chase hatte nicht damit gerechnet, wieder aufzuwachen. Seine letzte bewusste Erinnerung war, dass er blindlings durch die Stadt gerast war und viel zu viel Blut verloren hatte aus der schweren Schussverletzung in seinem rechten Oberschenkel und der leichteren an der Schulter. Er war im Kampf schon sehr viel schlimmer verletzt gewesen, aber damals war er fit, und jetzt war sein Körper extrem geschwächt, seine fast unzerstörbaren Stammesgene behindert von der Krankheit, die ihn jetzt mit einem qualvollen Stöhnen wachrüttelte.
Er versuchte sich aufzusetzen, kam aber nicht weit. Man hatte ihn mit Metallfesseln an Handgelenken und Knöcheln an ein Krankenhausbett gefesselt. Ein breiter, stahlverstärkter Ledergurt zog sich eng um seinen Oberkörper. Er fluchte durch zusammengebissene Zähne und rüttelte heftig an seinen Fesseln.
Als sich seine Augen jetzt langsam auf seine Umgebung einstellten, sah er im kleinen Sichtfenster der Tür einen dunklen Kopf, der aus dem Korridor zu ihm hereinspähte.
Es dauerte eine geschlagene Minute, bis Dante endlich zu ihm hereinkam. Er schloss die Tür hinter sich und starrte Chase vom anderen Raumende aus kopfschüttelnd an. »Du bist
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