Gejagte Der Dämmerung -9-
mit der heimtückischen Krankheit ausgetragen, die den gesamten Stamm heimsuchte.
»Blutgier«, sagte Lucan grimmig. Er sah in die Gesichter seiner um den Tisch versammelten Stammesbrüder, von denen außer Tegan keiner so gut wusste wie er selbst, was es bedeutete, Opfer der Blutgier zu werden. Sobald ein Vampir das Maß verlor, ging es sehr schnell bergab mit ihm. Wer zu tief abstürzte, war für immer verloren. »Nimm’s mir nicht übel, T, aber ich hoffe, du täuschst dich.«
Tegans Blick blieb unbeirrt. »Und wenn nicht?«
Als niemand das nun folgende Schweigen brach, zischte Dante einen Fluch. »Wie auch immer, wir müssen Harvard finden, ihn zurück ins Hauptquartier bringen und ihm ordentlich den Kopf waschen. Jemand muss ihm sagen, dass er sich verdammt noch mal zusammenreißen soll, bevor es zu spät ist. Wenn es sein muss, werde ich ihm das höchstpersönlich in seinen Dickschädel hämmern.«
Lucan wollte Dante zustimmen, aber je länger er darüber nachdachte, desto weniger war er überzeugt. Er schüttelte den Kopf. »Chase wusste, was er tat, als er gegangen ist. Und wenn er es nicht wusste, weiß er es jetzt. Wir haben eben Wichtigeres zu tun, als Harvard schon wieder hinterherzuräumen. Er hat sich ohne Erlaubnis von der Truppe entfernt, und das unmittelbar, nachdem er eine Mission vergeigt hat. Wenn Hunter nicht mit ihm auf Patrouille gewesen wäre, wäre sie vermutlich ganz gescheitert. Und vergessen wir nicht, dass es Chase war, der es nicht geschafft hat, bei Kellans Rettungsaktion letzte Woche Lazaro und Christophe Archer zu schützen. In der letzten Zeit hat er alles verbockt, was er angefangen hat. Ehrlich gesagt wird er für uns allmählich zum Problem.«
»Ich kann ihn suchen und ihm ins Gewissen reden«, beharrte Dante. »Ich meine, Himmel, Lucan. Er hat sich doch im Kampf absolut bewährt. Er hat mir so oft den Arsch gerettet, und seit er bei uns ist, hat er so viel für den Orden getan. Denkst du nicht, dass wir ihm noch eine Chance geben sollten?«
»Nicht, wenn er mit seinem Verhalten die Ziele des Ordens in Gefahr bringt«, antwortete Lucan. »Und nicht, wenn seine Anwesenheit hier die Sicherheit des Hauptquartiers oder seiner Bewohner gefährdet. Wie Tegan schon sagte, keiner von uns hat Chase rausgeworfen, er hat sich aus eigener Initiative von der Truppe entfernt.«
Dante starrte ihn in grimmigem Schweigen an, so wie auch alle anderen, die um den Tisch versammelt waren.
Es war keine Entscheidung, die Lucan leichtfiel, aber er war der Anführer hier, und letztendlich war sein Wort Gesetz, und keiner der Krieger würde weiter über die Sache diskutieren. Nicht einmal Dante, der sich jetzt in seinen Stuhl zurückfallen ließ und einen leisen Fluch murmelte.
Lucan räusperte sich. »Also, wir waren bei Murdock …«
Bevor er den Satz beenden konnte, glitt die automatische Glastür des Techniklabors mit einem Zischen auf, und Rios Stammesgefährtin Dylan eilte in den Raum. Ihr sommersprossiges Gesicht war blass unter ihrem feuerroten Haar, und in ihren Augen stand die helle Panik.
»Tess schickt mich«, stieß sie hervor und kam auf dem glatten Boden schliddernd zum Stehen. »Sie ist in der Krankenstation. Sie braucht Hilfe, sofort!«
Dante schoss von seinem Stuhl auf. »Scheiße. Kommt das Baby?«
»Nein.« Dylan schüttelte den Kopf. »Nichts dergleichen, mit Tess ist alles in Ordnung. Aber Kellan Archer geht es gar nicht gut. Er hat schlimme Schmerzen und Krampfanfälle, und wir wissen einfach nicht weiter.«
Die Versammlung löste sich hektisch auf. Alle eilten zur Krankenstation am anderen Ende des Korridors hinüber, Lucan und Dante voran.
Dylan hatte nicht übertrieben, Kellan Archer ging es wirklich nicht gut. Der Junge krümmte sich vor Schmerzen in seinem Krankenbett, hielt sich den Unterleib und stöhnte.
»Vor etwa einer halben Stunde ist sein Schwindel stärker geworden«, sagte Tess, als sich die Gruppe in den Raum drängte. Kellans Großvater, der Gen-Eins-Zivilist Lazaro Archer, stand an der einen Seite des Bettes, Tess an der anderen. Ihre Hand ruhte leicht auf dem Rücken des Jungen, dessen Körper von einer weiteren heftigen Krampfwelle geschüttelt wurde.
»Was hat Kellan?«, fragte die kleine Mira, die mit Gideons Gefährtin Savannah dabeistand. Das kleine Mädchen hielt ein offenes Buch an die Brust gedrückt, als hätte sie eben noch daraus vorgelesen, ihre Augen waren groß vor Angst. »Wird er wieder gesund?«
»Kellan hat schlimmes Bauchweh«,
Weitere Kostenlose Bücher