Gejagte Der Dämmerung -9-
hast.«
»Ich würde mein Leben für sie geben«, antwortete er automatisch. Und das war die reine Wahrheit. Die Erkenntnis erschreckte ihn irgendwie, aber er konnte nicht leugnen, dass er das kleine Mädchen sehr gern hatte. Sie hatte wilde Beschützerinstinkte in ihm geweckt, und genauso war es auch mit der schönen Frau, die jetzt neben ihm saß.
Aber während er für Mira ein warmes Gefühl der Zuneigung hatte, waren seine Gefühle für Corinne Bishop völlig anderer Art. Sie gingen viel tiefer, brannten mit einer Intensität, die jeden Augenblick, den sie zusammen verbrachten, stärker zu werden schien. Er begehrte sie; so viel war ihm bewusst geworden, als sie sich geküsst hatten. Er wollte sie wieder küssen, und das war ein Problem.
Was die anderen Gefühle anging, die sie in ihm weckte, so war er ratlos, was er davon halten sollte. Genauso wenig wollte er es genauer wissen. Er hatte für den Orden seine Pflicht zu tun, und für Ablenkungen war da kein Platz, egal wie groß die Versuchung auch war.
Dieses Mal dauerte es lange, bis Corinne antwortete. »Jedes Kind verdient es, jemanden zu haben, der es beschützt und dafür sorgt, dass es glücklich ist. Dafür hat man doch Familie, oder?« Als sie ihn jetzt ansah, schien ihre Miene beunruhigt, irgendwie gehetzt. »Siehst du das nicht auch so, Hunter?«
»Keine Ahnung.« Er bremste vor einem dunklen kleinen Einfamilienhaus mit verbarrikadierten Fenstern und einer durchhängenden Veranda. Es wirkte verlassen, wie auch all die anderen armseligen Häuser, die stehen geblieben waren, seit das Hochwasser damals zurückgegangen war. Rissige, unkrautüberwucherte Zementfundamente zeigten die Stellen an, wo früher andere Häuser gestanden hatten. »Das hier müsste reichen«, sagte er zu Corinne und stellte die Automatikschaltung auf Parken.
Sie starrte ihn vom anderen Ende der Sitzbank des El Camino immer noch seltsam an. »Du hast nie irgendjemanden gehabt – nicht mal als Kind? Nicht mal deine Mutter?«
Er stellte den Motor ab und zog den Zündschlüssel ab. »Da war niemand. Man hat mich der Stammesgefährtin, die mich in Dragos’ Labor geboren hat, noch als Säugling weggenommen. Ich habe keine Erinnerung an sie. Der Lakai, den Dragos mir als Betreuer zugeteilt hat, war für meine Aufzucht verantwortlich.«
Ihr Gesicht war ganz blass geworden. »Du bist im Labor auf die Welt gekommen? Man hat dich … deiner Mutter weggenommen?«
»Wir alle«, antwortete er. »Dragos hat unser ganzes Leben vom Augenblick unserer Empfängnis an kontrolliert. Er hat alles dafür getan, um uns zu perfekten Tötungsmaschinen zu machen, nur ihm allein gegenüber loyal. Er hat uns gezüchtet, damit wir seine Killer sind, seine Jäger, und nicht mehr.«
»Hunter, Jäger.« Das Wort klang ihr hölzern auf der Zunge. »Ich habe gedacht, du heißt so. Ist das dein Name?«
Er konnte ihre Verwirrung sehen. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, als sie stumm all das Gehörte verarbeitete. »So hat man mich vom Tag meiner Geburt an genannt. Das ist, was ich bin. Was ich immer sein werde.«
»Oh mein Gott.« Ihre Stimme zitterte ein wenig, und in diesem Augenblick huschte ein Ausdruck über ihr Gesicht, den er nicht einordnen konnte. Es sah aus, als sei ihr eben eine entsetzliche Erkenntnis gekommen. »Alle Babys, die in Dragos’ Labor geboren wurden, wurden weggebracht. Wurden die alle so aufgezogen wie du? All diese armen kleinen Jungen, das ist aus ihnen geworden …«
Sie hatte es nicht als Frage formuliert, aber er antwortete ihr mit einem unumwundenen, düsteren Nicken.
Corinne schloss die Augen und sagte nichts mehr. Sie wandte den Kopf ab und sah zum dunkel getönten Fenster der Beifahrerseite hinaus.
In der langen, unbehaglichen Stille, die sich plötzlich zwischen ihnen ausbreitete, öffnete Hunter die Fahrertür. »Warte hier. Ich gehe das Haus überprüfen, ob es als Unterschlupf taugt.«
Sie antwortete ihm nicht, sah ihn nicht einmal an und schmiegte ihr Gesicht an die rechte Schulter. Als er davonging, dachte er, er hätte auf ihrer Wange Tränen gesehen.
Sobald Hunter ins Haus gegangen war, stürzte Corinne aus dem Wagen. Die lange Fahrt in dem engen Raum allein hätte schon ausgereicht, eine Panikattacke auszulösen, besonders nach allem, was sie heute Nacht am Flughafen mitangesehen hatte. Aber es war etwas viel Schlimmeres, das sie aus dem Wagen und hinaus in die feuchtkalte Morgenluft trieb.
Vor Angst und Entsetzen hob sich ihr fast der Magen, als sie auf
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