Gejagte Der Dämmerung -9-
Diele zurückgehen.
»Warte. Hunter …« Sie schlang die Arme um sich, fühlte sich jetzt schon verlassen in diesem trostlosen kleinen Raum. »Bleibst du hier bei mir … nur bis ich eingeschlafen bin?«
Er starrte sie schweigend an, fast länger, als sie aushalten konnte. Sie wusste, dass er vermutlich der Allerletzte war, bei dem sie sich Trost holen konnte, besonders nach dem, was sie ihn heute Nacht hatte tun sehen. Nach allem, was sie von seiner Erziehung und seiner persönlichen Mission für den Orden gehört hatte, wusste sie, dass dieser tödliche Mann der denkbar schlechteste Verbündete war, den sie haben konnte, um ihr Kind zu finden und zu retten.
Aber als sie Hunter jetzt in diesem dämmrigen, sturmverwüsteten Haus ansah, sah sie keine Unbarmherzigkeit oder Brutalität an ihm, sondern dieselbe Zurückhaltung und Zärtlichkeit wie im Jazzclub in der Stadt, kurz bevor er sie so unerwartet auf der Tanzfläche geküsst hatte. Jetzt glomm in seinen goldenen Augen dieselbe Hitze, und sein heißer Blick wanderte langsam zu ihrem Mund.
Corinne war sprachlos geworden, stand reglos, unsicher, was sie mehr beunruhigte: Der Gedanke, ihn wieder zu küssen, oder dass er sich jetzt womöglich einfach umdrehte und sie hier allein ließ.
»Leg dich hin«, murmelte er, seine Stimme klang belegt und etwas heiser, und hinter seiner sinnlichen Oberlippe glänzten beim Sprechen die Spitzen seiner Fänge.
Corinne wich vor ihm zurück und ließ sich auf seinem ausgebreiteten Mantel nieder. Er bewegte sich langsam und raubtierartig auf sie zu und ließ sich neben sie sinken, als sie sich zögerlich auf ihrer Seite des angenehm weichen schwarzen Ledermantels ausstreckte. Sein Körper war eine lange Hitzewand an ihrem Rücken und Po, seine Schenkel drückten fest und hart gegen ihre. Und obwohl sie beide noch komplett angezogen waren, erwachte in ihr jedes Nervenende und knisterte vor Spannung. Begehren erwachte tief in ihr und breitete langsam federleichte Schwingen aus, ließ ihr Herz höher schlagen und nahm ihr den zitternden, flachen Atem.
Hunter legte den Arm um sie, ein schweres Band von Knochen und Muskeln hielt sie sanft an ihn gedrückt. Jeder Zentimeter seines Körpers strahlte Kraft aus, aber statt Angst oder Unbehagen darüber, so eingezwängt zu sein, fühlte sich Corinne beschützt.
Sie fühlte sich sicher, ein Gefühl, das sie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr gehabt hatte.
Sicher und geborgen in den Armen des tödlichsten Mannes, den sie je getroffen hatte.
18
Am frühen Vormittag war im Bostoner Hauptquartier des Ordens für Lucan und die anderen Bewohner normalerweise Schlafenszeit.
Aber nicht heute.
Und obwohl niemand etwas Entsprechendes gesagt hatte, wusste Lucan als Vorstand dieses Haushaltes, der sich laufend vergrößerte, dass sich die Anspannung, die sie alle ergriffen hatte, ihrem Höhepunkt näherte. Selbst Mira neben Renata am riesigen Esszimmertisch wirkte gedämpft, die scharfsichtige kleine Seherin vertilgte die letzten Bissen ihrer Pfannkuchen und Würstchen ungewöhnlich still, statt wie sonst nonstop zu quasseln.
Das spontane Frühstückstreffen war Gabrielles Idee gewesen. Lucan hatte darauf bestanden, dass die weiblichen Ordensmitglieder zusammen mit ihren Kriegern unten im Hauptquartier aßen, statt wie sonst oben im Haus. Obwohl es sich seltsam anfühlte, die gesamte Belegschaft in seinem und Gabrielles Quartier zu haben – neunzehn Personen waren um den langen Tisch, eine Spezialanfertigung, die Gabrielle vor Monaten von einem Handwerker aus den Dunklen Häfen bestellt hatte, versammelt –, war ihm das weiß Gott lieber, als die anderen tagsüber aus den Augen zu lassen, wenn er nichts tun konnte, um sie zu schützen.
Sie schützen? Ach Scheiße.
Was für ein verdammter Witz das inzwischen geworden war.
Lucan war sich nur zu bewusst, dass der Orden noch niemals zuvor so anfällig gewesen war wie jetzt. Das einst so sichere Hauptquartier war nur noch eine brüchige Fassade, jetzt, wo Dragos seine genauen Koordinaten kannte.
Und laut Hunters Statusmeldung vor einigen Stunden ging Dragos jetzt anscheinend auch andernorts zur Offensive über. Einer von Dragos’ Gen-Eins-Killern hatte ihr Hangargebäude auf dem Flughafen angegriffen, die beiden Charterpiloten waren tot, und Hunter saß mit der Zivilistin Corinne Bishop in New Orleans fest. Derzeit hatten sie sich in einer Ruine, die von dem Hurrikan Katrina übrig geblieben war, verkrochen und warteten auf den
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