Gekapert
Übelkeit ausbreitet. Ihm ist die letzte Auseinandersetzung zwischen Dajaal und Gumaad eingefallen, und das Gefühl, das ihn damals überkam – daß Dajaal für das, was er über DerScheich sagte, mit seinem Leben bezahlen würde.
»Wie hat Qasiir Dajaals Tod aufgenommen?«
»Er ist zutiefst erschüttert«, sagt Cambara.
»Weißt du, was er vorhat?«
»Qasiir wird nichts Überstürztes tun«, sagt sie. »Bile meint, daß er in dieser Hinsicht sehr seinem Großvater ähnelt.«
Sie unterhalten sich noch ein paar Minuten. Cambara erzählt, daß sie, während sie ihn zu erreichen versuchte, Jeebleh und Seamus über Dajaals Tod informiert hätte. »Seamus meint, du solltest nach Nairobi gehen, dort würdest du im Minutentakt über alle Vorkommnisse in Somalia unterrichtet. Hier wird sich die Lage erst einmal verschlimmern, ehe es wieder ruhiger wird.«
»Was meinte Jeebleh?«
»Er ist der Meinung, daß du schon wissen würdest, was du tust.«
»Aber er schlug nicht vor, daß ich mich nach Kenia verlagere und wie alle europäischen Journalisten von dort aus berichten soll?«
»Er sagte, er vertraue darauf, daß du schon wissen würdest, was du tust.«
Bevor sie auflegt, drängt ihn Cambara, jetzt doch ernsthafter darüber nachzudenken, ob er nicht zu ihnen ziehen wolle, und sie versichert ihm, wenn er irgendwohin fahren müßte, würden ihm natürlich sowohl Qasiir als auch das Auto zur Verfügung stehen.
Er bedankt sich bei ihr, und sie legen auf.
Niedergeschlagen verkriecht Malik sich wieder im Bett. Von dort aus versucht er mehrmals, Qasiir zu erreichen, aber jedesmal ist entweder besetzt oder die Verbindung wird unterbrochen. Mutlosigkeit überkommt ihn.
Er weiß nicht, was er mit sich anfangen soll. Der Tag dehnt sich endlos vor ihm. Er geht ins Bad und putzt sich die Zähne, erträgt aber den Blick in den Spiegel nicht, aus Furcht vor dem, was er erblicken könnte.
In der Küche macht er Frühstück für zwei. Dann ruft er Dajaals Nummer an, genau so, wie er es immer zu tun pflegte, im Bewußtsein, daß die Somalier ein unsentimentales Verhältnis zum Tod haben und bestimmt jemand Dajaals Handy an sich genommen hat und es benutzen wird, bis das Guthaben aufgebraucht ist, um sich dann zu entscheiden, ob er oder sie es aufladen wird.
Eine Frau nimmt ab.
»Hier ist Malik«, sagt er. »Mit wem spreche ich bitte?«
»Ich bin Qasiirs Mutter«, erwidert sie und bricht in Tränen aus.
Malik spricht sein Beileid aus, sagt Qasiirs Mutter, wie sehr er Dajaal vermissen werde. »Ich mochte ihn sehr«, sagt er, »ich wünschte, ich wäre bei seiner Beerdigung dabeigewesen. Aber Sie wissen ja.«
»Es ist Gottes Wille, daß er gestorben ist«, sagt sie. »Ich habe ihn mehr geliebt als meinen eigenen Vater, denn er hat mich aufgezogen, mich unterstützt und mir beigestanden als meine Tochter bei einem amerikanischen Angriff verletzt wurde. Allah segne ihn.«
»Bitte richten Sie Qasiir aus, daß ich angerufen habe.«
Mach ich, mach ich«, versichert sie ihm.
»Ich hoffe, daß ich vor meiner Abreise noch bei Ihnen vorbeikommen kann.«
»Gelobt sei Allah«, sagt sie.
Das Gespräch mit Qasiirs Mutter hat ihm gutgetan, und es hat ihn an seine Verantwortung als Journalist und als Dajaals Freund erinnert. Männer wie er, die ihr Leben im Einsatz gegen die Tyrannei riskieren, werden oft wegen ihrer Ansichten ermordet. Dajaal liebte dieses Land und wurde von Männern getötet, die Somalia erst dann lieben werden, wenn sie es in ein anderes Land verwandelt haben, in dem sie gedeihen und ihre Gegner verderben.
Er wird einen Artikel schreiben über die tragische Ausrottung einer ganzen Generation gutausgebildeter Somalier für die Dajaal ein erstklassiges Beispiel ist.
Er setzt sich hin, um genau das zu tun.
Ahl ruft an. Malik erzählt ihm von Dajaals Tod. Ahl jedoch beschäftigt sich gerade mit dem neuernannten äthiopischen Botschafter für Somalia, der in der Präsidentenvilla logiert, als wäre sie ein exklusives Hotel, und dies nicht nur als Gast der treulosen Übergangsregierung, sondern auch unter dem künstlichen Vorwand, den Staat und seinen Übergangspräsidenten, der von einem schwerbewaffneten Kommando äthiopischer und somalischer Soldaten zu jener Villa eskortiert worden ist, zu schützen.
Malik ist sich seiner mangelnden Professionalität bewußt – dem Tod eines einzelnen Bedeutung beizumessen, wenn er sich statt dessen mit der aktuellen Lage der Nation beschäftigen sollte. Ahl dagegen kann es sich
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