Gekapert
darauf, den vollen Betrag in Dollar zu bezahlen, und gibt obendrein noch Trinkgeld. Endlich können sie gehen.
Als sie das Hotelgelände hinter sich gelassen haben, erzählt ihm Xalan das schreckliche Erlebnis, das einem somalischen Freund, der aus Nairobi zu Besuch war, zugestoßen ist. »Unser Freund reiste nach Puntland, wo er viel Zeit und Geld investiert hat«, sagt sie. »Genaugenommen gehört er zu den Gründern des autonomen Staates, ein höchst geachteter, aus dieser Gegend stammender Mann, ein sehr intelligenter und gewiefter Geschäftsmann. Er nimmt einen Mietwagen für die Reise von Bosaso nach Gaalkacyo, fährt einige Umwege. Er wird von zwei bewaffneten Männern begleitet, darauf hat die Mietwagenfirma bestanden, sowie zwei seiner Verwandten, die so kostenlos nach Hause kommen.
Du kennst ja die grandiose Landschaft Puntlands. Irgendwann halten unsere Freunde an, um ein paar außergewöhnlich geformte Steine aufzusammeln. Wir Puntländer glauben nämlich unerschütterlich daran, daß unsere Region reich an Öl, Gas und Mineralien ist und selbst unsere Steine kostbar sind – wenn wir sie bloß analysieren ließen. Er steckt die Steine in seine Tasche, verkündet allen in Hörweite, daß diese bestimmt etwas enthielten, das kostbarer sei als Gold. Er werde sie mit nach Nairobi nehmen, vielleicht sogar nach Europa, um ihren Wert feststellen zu lassen.
Er kehrt mit den Proben nach Nairobi zurück. Er zeigt die Steine herum und findet sich mit der Tatsache ab, daß sie wertlos sind. Seine Frau und Geschäftspartnerin benutzt sie schließlich in ihrem Büro als Briefbeschwerer.
Ein paar Monate später reist unser Freund wieder nach Puntland. Und stell dir vor, drei der Männer, die ihn begleiteten, als er die Steine aufsammelte, erscheinen vor dem Haus des Freundes, bei dem er wohnt, und verlangen ihren Anteil vom Verkauf der Steine. Er hustet ihnen was. Sie nehmen ihn als Geisel, verweigern ihm ein paar Tage lang jeglichen menschlichen Kontakt, beschuldigen ihn, sie übers Ohr zu hauen. Um ihn zu befreien, müssen die Clanältesten eingreifen.«
Ahls Handy klingelt, aber als er Fidnos Nummer auf dem Display sieht, beschließt er, nicht ranzugehen. Er hat Yusur nichts von seinen Geschäften mit ihm erzählt, da er Angst hat, ihr Hoffnungen zu machen und diese dann zerstören zu müssen, und auch Xalan hat er bis jetzt nicht viel davon gesagt. Er wird Yusur davon berichten, wenn seine Unternehmungen Früchte getragen haben, er wird Xalan die Neuigkeiten erst dann mitteilen, wenn Rückschläge ausgeschlossen werden können. Er befürchtet, daß das Verschweigen all dieser Geheimnisse ihm nicht bekommen wird, vor allem wenn er unter Xalans Dach wohnt – daß er krank wird, sich die Dinge verkomplizieren.
Aber er fürchtet Xalans kompromißlose Unnahbarkeit – die Nachwirkung ihres schrecklichen Erlebnisses in Mogadischu, das Yusur ihm ausführlich geschildert hat. Manchmal ist sie launisch und man kann es ihr nicht recht machen, eine Frau mit schwierigem Charakter, der Typ, dem Ahl lieber aus dem Weg geht. Da Warsame nur selten auf der Bildfläche erscheint, weil er sich entweder um sein Geschäft kümmert oder qaat kaut, wird er geschickter im Umgang mit ihrem unsteten Geist werden müssen.
Wieder klingelt das Telefon und wieder nimmt Ahl den Anruf nicht an. Xalan richtet ihren sanften Blick auf ihn, grinst. Vielleicht denkt sie, daß ihn eine Frau zu erreichen versucht und Ahl den Anruf in ihrer Anwesenheit nicht entgegennehmen will. Gerade will er diesen Eindruck korrigieren, da fliegt auf seiner Seite des Autos ein kleiner, bunter Vogel auf, dem es unbegreiflicherweise gelingt, gleichauf zu bleiben, und der ihn durchdringend ansieht. Gebannt betrachtet er den Vogel, sieht wie hypnotisiert zu, als der Vogel im Flug die Zahlen sieben, acht, neun, eins und drei vollführt. Will ihm dieser gefiederte Freund ein Geheimnis verraten, das er leider nicht dechiffrieren kann? Der Wagen macht einen Schlenker, der ihn aus seinen Träumen reißt, und er stellt fest, daß Xalan beinahe einen auf der Mitte der Straße dahinschlendernden Fußgänger überfahren hat.
Sie hält das Auto an, kramt im Handschuhfach, sucht dann in ihrer Handtasche, holt einen Inhalator heraus, inhaliert, atmet aus, sitzt schließlich still da. Offensichtlich meldet sich ihr Asthma, das wahrscheinlich als Folge der Vergewaltigung aufgetreten ist. Er wartet wortlos mit abgewandten Augen.
Sie fährt ungefähr einen Viertelkilometer,
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