Gekapert
sagt er.
»Namenlos hat vielfältige Verbindungen zu den Topleuten in Puntland und darüber hinaus, zu Aufständischen, Piraten, allem und jedem.«
Das beruhigt Ahl zwar ein wenig, aber er ist sich nicht sicher, daß er Taxliil näher gekommen ist. Komplizen, alle miteinander – Fidno, Namenlos und ihre Kumpane. »Sagen wir mal so, ich bin mittlerweile etwas optimistischer«, sagt er.
»Wird schon schiefgehen.«
Ahl spürt, daß Fidno ihn vorsichtig auf einen Schlag vorzubereiten versucht; das Hinauszögern ist ihm unerträglich.
»Bitte ruf Malik an und sag ihm Bescheid«, sagt Fidno.
»Keine Sorge, werde ich tun. Später.«
»Ruf ihn bitte jetzt an.«
»Was soll ich ihm sagen?«
»Frag ihn, ob er sich mit mir treffen will.«
»Ich rufe ihn später an.«
Fidnos Stimme nimmt einen drohenden Tonfall an. »Bitte ruf ihn an. Jetzt.«
Ahl öffnet das Fenster, Wind und Sand blasen ins Wageninnere. Die Landschaft hier ist in seinen Augen noch trostloser als die der Herfahrt. Um ehrlich zu sein, drückt er sich, seit sie sich uneinig waren, ob ein Interview mit DerScheich klug sei, und er darauf beharrte, Familie gehe über Karriere, um ein Telefonat mit Malik. Wenn es nach ihm ginge, würde er Malik lieber allein und in der Abgeschiedenheit seines Hotelzimmers anrufen, aber es kommt ihm vor, als hätte er gar keine andere Wahl, als es jetzt zu tun.
Er wählt, stellt fest, daß belegt ist, verspricht Fidno, es gleich noch einmal zu versuchen. Dann schaltet er das Radio ein, und sie bekommen noch den Schluß einer Nachrichtensendung mit. Zwischen der äthiopischen Besatzungsarmee und den Aufständischen ist es zu heftigen Kämpfen gekommen, die viele Zivilisten das Leben gekostet haben. Er wählt nochmals und diesmal geht Malik beim vierten Klingeln dran. Ahl stellt auf Lautsprecher, damit Fidno mithören kann. Er erzählt seinem Bruder vom Treffen mit Namenlos und versichert, er sei jetzt zuversichtlicher. »Hast du überlegt, wann du Zeit hast, dich mit Fidno zu treffen?« fragt er dann. »Du könntest ihn hier in Puntland interviewen. Wenn du nicht hierherfliegen kannst, dann ist er bereit, nach Mogadischu zu kommen.«
Im Moment ist Malik jedoch nicht in Stimmung für ein derartiges Treffen. Soeben hat er vom Tod eines weiteren Journalisten durch einen Sprengsatz erfahren. »Warum sprechen wir nicht heute abend darüber und entscheiden dann?« schlägt er vor. »Sieht aber so aus, als müßte er nach Mogadischu kommen, da ich nicht nach Puntland kommen kann.«
»In Ordnung.«
»Freut mich sehr, daß alles gut läuft.«
»Aber wie geht’s dir, Malik?« will Ahl besorgt wissen. »Bist du verletzt?«
»Nein, nur im Schockzustand, traumatisiert, neben der Spur.«
Sie vereinbaren, später ausführlich zu reden, und verabschieden sich. Nachdem er das Gespräch beendet hat, dauert das Schweigen so lange, daß Ahl annimmt, Fidno würde gar nichts mehr sagen. Aber genau in diesem Moment meint Fidno: »Würde mir Freude machen, nach Mogadischu zu reisen, vielleicht nehme ich gleich den erstbesten Flug, weil es mich so juckt. Aber ich buche erst, wenn du mir Bescheid gibst. Und es ist nicht ganz auszuschließen, daß ich einen Freund zum Interview mitbringe.«
»Von dem Freund höre ich aber zum ersten Mal.«
»Darüber reden wir zwei noch«, verspricht Fidno, »hat ja noch Zeit.«
Verärgert und mißtrauisch starrt Ahl Fidno an. Diese Entwicklung wird Malik natürlich aufbringen. Aber Malik gehört zur Familie, und er wird tun, was letztendlich das Beste für Taxliil ist. Zumindest hofft Ahl das.
Mit schmerzenden Knochen und vor Erschöpfung brennenden Augen steigt Ahl vor dem Hotel aus. Gerade will er sich von Fidno verabschieden, da nähert sich von der Rezeption eine junge, züchtig gekleidete Frau, den Kopf bedeckt, das Gesicht verschleiert, allerdings nur nachlässig. Sie geht direkt auf Fidno zu, sagt leise etwas und stellt sich dann wartend neben das Auto.
»Wenn du einen Moment Zeit hast, würde ich dir gern Wiila vorstellen. Ich glaube, ihr habt euch auf deinem Flug getroffen. Und du wirst dich daran erinnern, daß wir sie gemeinsam mit Warsame beim qaat -Stand gesehen haben.«
Müde ergreift Ahl Wiilas ausgestreckte Hand, weil er es unhöflich fände, wegzugehen. Aber obwohl sie traditionelle Kleidung trägt, fühlt er sich durch ihre Haltung in den Nachtclub in Dschibuti zurückversetzt, in dem sich die Prostituierte an ihn heranzumachen versuchte; Wiila hat auch so etwas Wissendes an sich.
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