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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Booten gejagt, unsere Gewehre sind lauter als Panzerfäuste gewesen und sie haben angehalten. Wir haben das Geld der Schiffsarbeiter genommen, ungefähr dreihundert Dollar, ihre schicken Handys und teuren Armbanduhren und haben ihr Essen gegessen und drei Monate lang gewartet. Danach hat jeder von uns tausend Dollar bekommen. Ich schwör, mehr war’s nicht.«
    »Was machst du jetzt?«
    »Ich verkauf Teppiche an die Moscheen. Mir gehört ein Laden ziemlich weit oben im Bakaaraha-Markt«, antwortet Marduuf. »Und so hat mein kleiner Bruder auch zum ersten Mal eine Moschee betreten. Kaahin hat mich begleitet, ist damals ein junges Bürschchen gewesen, als ich in die Moschee rein bin, um den Handel abzuschließen. Wir sind aus der Moschee und in die Sonne raus, die uns in die Augen gestochen hat, und da sagt er, er würd sich in der Moschee woh­ler fühlen. Eine Woche später war er weg und ist Koranschüler geworden. Hat gesagt, die würden ihm beibringen, den Koran zu lesen und wie man schreibt. Eineinhalb Monate später hat er mir gezeigt, daß er seinen Namen auf arabisch schreiben kann. Hat mich echt glücklich gemacht. Dann hab ich von Wiila gehört, meiner Schwester, daß einer von unserer Familie, dessen Sohn ebenfalls Schüler in der Moschee gewesen ist, gehört hat, daß Kaahin einen Eid geleistet hat und sich ’ner Al-Schabaab-Spezialeinheit angeschlossen hat. Von da an hat er mich nicht mehr so oft besucht. Und dann hab ich erfahren, daß er tot ist, ermordet.«
    »Wie hast du erfahren, daß er umgebracht worden ist?«
    »Hab Kaahins mucallim gefragt, wo er ist.«
    »Was hat der Lehrer geantwortet?« fragt Malik.
    »Hat gesagt, es ist Allahs Wille, daß Kaahin gestorben ist.«
    »Hast du ihn gefragt, was er damit meint?«
    »Daß Kaahin im Himmel ist«, sagt Marduuf.
    »Hast du ihn gefragt, woher er das weiß?«
    »Hat zu mir gesagt, daß Kaahin sein Leben für den Islam geopfert hat und zum Märtyrer geworden ist.«
    »Was hast du dann getan?« will Malik wissen.
    »Hab gefragt, ob ich seine Leiche sehen kann.«
    »Und dann?«
    »Hat er gesagt, er würd mich umbringen, wenn er mich noch mal sehen würd.«
    »Was hast du dann gemacht?«
    »Bis jetzt noch nichts.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich werd was unternehmen. Ich werd meinen Bruder rächen.«
    Malik ist versucht zu fragen, ob Marduuf die Vorkommnisse den Behörden melden will, beherrscht sich aber. Ihm ist klar, daß eine derartige Frage für jemanden, der in einem gesetzlosen Land lebt, bedeutungslos ist. Behörden im positiven Sinn hat er nie kennengelernt. Das Aufnahmegerät schaltet sich von selbst aus. Marduuf schreckt zusammen. Er starrt den Apparat an, als wollte er ihm einen Faustschlag versetzen, und erwidert dann zum ersten Mal Maliks Grinsen.
    Qasiir begleitet Marduuf zu seinem Pick-up auf dem Parkplatz, und als er zurückkommt, findet er einen Malik vor, der mit dem Interview glücklich ist, aber eindeutig zu müde, um noch länger aufzubleiben.
    »Wann soll ich morgen mit Liibaan vorbeikommen?« fragt Qasiir.
    Malik ist klar, daß morgen ein Höllentag wird, mit verschiedenen wichtigen Interviews und seinem Umzug zu Bile und Cambara. »Gleich morgen früh«, sagt er.

S aifullah ist verschwunden.
    Keiner weiß, wie das passieren konnte. Er war oben in seinem Zimmer und hatte sich Kassetten mit Koranrezitationen angehört. Zumindest hatten sie das angenommen. Sie vertrauten darauf, daß er irgendwann herunterkommen würde, entspannt und gesprächsbereit. Sie faßten sich in Geduld, alles würde eine Erklärung finden – mit der Zeit.
    Um die Teestunde geht Faai mit einer Tasse stark gezuckerten Tees nach oben und klopft an seine Tür. Als keine Antwort kommt, ruft sie seinen Namen und sicherheitshalber auch die Kosenamen, mit denen sie ihn schon als Kind gerufen hat. Keine Antwort. Xalan kommt dazu, und je mehr Zeit verstreicht, desto lauter werden die Rufe der Frauen. Was, wenn er aus dem Fenster gesprungen ist und bewußtlos im Garten liegt, fragt sich Xalan laut. Was, wenn er sich umgebracht hat? Faai heult auf, und ihr Gebet wird eindringlicher: »Bitte, Gott, nein, bitte Gott, nein.« Sie solle ruhig sein, raunzt Xalan. Faai schlurft die Treppe hinunter und setzt sich, immer noch betend, auf die letzte Stufe. »Bitte, Gott, nein, bitte Gott, nein.« Dann stimmt auch noch Ahl in den Chor ein, drängt Saifullah herauszukommen.
    Xalan ruft Warsame an, bittet ihn, sofort nach Hause zu kommen. Als Ahl vorschlägt, die Tür

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