Gekapert
Grenze. Ich dachte mir nämlich, daß viele Leute, darunter viele Ausländer – einschließlich Somalier, die im Besitz einer ausländischen Staatsangehörigkeit sind – in Richtung kenianische Grenze fliehen würden, im Wissen, daß die somalisch-äthiopische Grenze aufgrund des Einmarsches geschlossen sein würde.«
»Weil du selbst viel hin- und herreist, kennst du dich doch bestimmt mit den Abläufen am Grenzübergang aus«, sagt Malik, »und als Geschäftsmann kennst du doch wahrscheinlich sogar einige der kenianischen Grenzbeamten?«
»Stimmt.«
»Wie sind die denn so? Wie wird man von ihnen behandelt?«
Ein wissendes Funkeln schleicht sich in Liibaans Augen. »Wenn man bereit ist, sich von einem ordentlichen Sümmchen zu trennen, ist mit ihnen gut auskommen«, sagt er. »Dann hat man Erfolg, ist ihr bester Freund, kann kommen und gehen, ohne daß einem Fragen gestellt werden.«
»Stimmt es, daß sie die Tendenz haben, jedem Somalier, der zur Grenzstation kommt, Geld aus der Tasche zu ziehen, egal ob seine Dokumente in Ordnung sind oder nicht?« fragt Malik.
»Das Gehalt der kenianischen Grenzbeamten ist niedrig, und ihre Gier ist verständlich, wenn nicht sogar verzeihlich«, erwidert Liibaan. »Außerdem ist den Kenianern bekannt, daß Somalier von Natur aus ungeduldig sind und es ihnen nichts ausmacht, die Summe abzudrücken, die ihr Problem aus dem Weg räumt.«
Malik bittet Liibaan, ihm den Ablauf zu erklären.
»Die Einreisenden werden von den Kenianern aufgefordert, sich in vier Gruppen aufzuteilen. Reisende mit somalischem Paß werden angewiesen, an einem anderen Tag wiederzukommen, das Datum werde man ihnen noch mitteilen. Somalier mit kenianischer Staatsbürgerschaft müssen eine eigene Schlange bilden, sie werden umgehend abgefertigt. Somalier mit ausländischem Paß bilden eine eigene Schlange, alle Nichtsomalier ebenfalls.«
»Wie ist der Ablauf für Somalier mit ausländischem Paß?« fragt Malik.
»Sie haben die Formulare in dreifacher Ausfertigung auszufüllen«, erklärt Liibaan, »geben diese zusammen mit ihrem Paß ab, stehen dann lange in der Sonne an, warten zuerst darauf, daß ihre Papiere bearbeitet werden, und dann auf ihre Befragung und die Abnahme der Fingerabdrücke. Wenn sie das hinter sich haben, werden sie in einen kleinen Raum geführt, um dort drei verschiedenen Grenzbeamten die gleichen Fragen zu beantworten: einem Kenianer in Uniform und laut einem der Männer, dem die Einreise verweigert wurde, einem Amerikaner und einem Briten.«
»Weißt du, welche Fragen sie stellen?«
»Soweit ich von dem Mann erfahren habe, stellt jeder Grenzbeamte eine Frage, die für ihn wichtig ist, und diese Fragen werden immer wieder gestellt, nur die Formulierung ist anders. Hauptsächlich geht es um Terrorismus, die Union, ausländische Dschihadisten, um Geld und woher es kommt – und natürlich persönliche Fragen, die auf jeden der Reisenden zugeschnitten sind.«
»Warum wurde dem Mann die Einreise verweigert?«
»Sein niederländischer Paß war vor sechs Monaten abgelaufen, und er konnte sich nicht mehr an den Namen des Gebäudekomplexes erinnern, in dem er angeblich gewohnt hat, bevor er nach Somalia kam«, antwortet Liibaan.
»Kannst du dich an andere ungewöhnliche Vorfälle erinnern?«
»Ich kann mich an einen Mann namens Robleh erinnern, der sich laut einigen Mitreisenden am selben Tag ein paar Stunden früher um Kopf und Kragen redete«, sagt Liibaan. »Den ersten Teil seiner Geschichte hat mir eine verläßliche Quelle erzählt, einer der Busfahrer, und den zweiten Teil erfuhr ich von dem Somalier mit dem niederländischen Paß.«
»Weißt du, wie er mit vollem Namen heißt?«
»Sein voller Name lautet Hassan Ali Robleh oder vielleicht Hussein. Ist mir auch völlig egal. Laut Dajaal, dem er Angst einjagte, hat er Cambara und Bile ziemlich aus der Fassung gebracht. Ist ein ganz linker Hund.«
»Wie hat er sich eigentlich in Schwierigkeiten gebracht?«
»Auf dem Weg zum Grenzübergang zwischen Kenia und Somalia hat er die Handlungsweise der Union verteidigt, jeden, der anderer Meinung war, als Verräter am Islam bezeichnet.«
»Er hat doch in Kanada von Sozialhilfe gelebt. Warum behauptet er eigentlich, daß er in Nordamerika für die Union gearbeitet hat. Weiß das jemand?« fragte Malik.
»Er war als Scout für die Union tätig.«
»Was soll das heißen?«
»Er hat geholfen, junge Kanadier für die Al-Shabaab zu rekrutieren.«
»Und was ist aus ihm
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