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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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die derzeitig herrschende politische Klasse Somalias, die ungebildet und egoistisch ist und sich anderen gegenüber unmenschlich verhält. Maliks Herz wird immer schwerer, er fühlt sich mitschuldig an diesen grauenvollen Vorkommnissen, weil er nicht weiß, wie er ihnen ein Ende setzen kann.
    Kurz bevor sie den Bakaaraha-Markt verlassen, kommt es zu einem heftigen Schußwechsel. Granatwerfer, die aus der Richtung der Präsidentenvilla kommen, gehen ungefähr dreißig Meter von der Stelle nieder, an der Qasiir das Auto geparkt hat. Die Geographie des Marktes erschließt sich nur dem Einheimischen, denkt Malik. Kein Fremder kann wissen, welche Gassen zu Sackgassen werden und durch welche man sich in Sicherheit bringen kann.
    Sie steigen ins Auto und finden wie durch ein Wunder aus der Nebenstraße auf eine der Hauptverkehrsadern der Stadt zurück.
    Maliks Handy klingelt. Fee-Jigan ist dran, teilt ihm mit, daß vor ungefähr zweieinhalb Stunden ein Reporter, dessen Name Malik von seinen beeindruckenden Kommentaren auf HornAfrik kennt, im Bakaaraha-Markt erschossen worden ist.
    »Was hat er dort gemacht?« fragt Malik.
    »Er interviewte gerade einen Aufständischen.«
    »Wo bist du jetzt?«
    Er sei auf dem Weg, sich dem Trauermarsch anzuschließen, erklärt Fee-Jigan, der in einer halben Stunde vor der Bank Tewfik aufbrechen werde. Er bittet Malik, ihn an Qasiir weiterzureichen, damit er ihm sagen kann, wie er dorthin kommt.
    Malik sieht den Trauerzug als erster, und Qasiir fährt an den Straßenrand. Dann ruft Malik Fee-Jigan an, der sich ein wenig später zu ihnen gesellt, und sie stehen plaudernd neben dem Auto. Auch andere Journalisten tauchen auf, die Fee-Jigan Malik vorstellt. Er kennt die Namen einiger Reporter, deren Artikel er gelesen hat. Keiner der Artikel hat ihn beeindruckt, zumeist waren sie oberflächlich und schlecht recherchiert. Es ist offensichtlich, daß viele der Journalisten keine ernstzunehmende Ausbildung haben. Dennoch beeindruckt ihn ihr Mut, ihre Unbeugsamkeit.
    Von ihnen erfährt er Näheres über den Mord im Baka­araha-Markt. Shire wartete im Hinterzimmer des Computerladens auf seinen Interviewpartner, einen der Anführer der Aufständischen. Er war für seine Furchtlosigkeit und Offenheit bekannt, signierte seine Leitartikel mit Namen, auch wenn er wußte, daß sie alle Konfliktparteien verärgern würden. Oft hatte er über seinen Tod durch die Hand eines Attentäters gesprochen, und es war ihm egal, ob ihn die Äthiopier oder die Aufständischen zuerst erwischten.
    Er wurde im Hinterzimmer des Ladens angegriffen. Drei Männer mit Gesichtsmasken drangen in das Zimmer ein, in dem er auf seinen Gesprächspartner wartete, und einer erschoß ihn, benutzte dabei einen Schalldämpfer. »Nach vollbrachter Mission kamen sie aus dem Zimmer, winkten dem Geschäftsführer und dem Personal grüßend zu und verschwanden«, sagt Fee-Jigan.
    »Wer hat die Leiche gefunden?«
    »Der kleine Junge, der den Tee ins Zimmer brachte.«
    Was für eine traurige Art zu sterben, denkt Malik.
    »So war wohl der Tatablauf«, sagt Fee-Jigan mit hochgezogenen Augenbrauen. Sein Gesichtsausdruck deutet an, daß etwas nicht zu stimmen scheint.
    »Und welche Erklärungen haben der Geschäftsführer und das Personal bisher anzubieten?« fragt Malik. Er ist der Meinung, daß es einer von ihnen gewesen sein muß, und erinnert sich schwach an einen Zwischenfall in Afghanistan, bei dem ein Warlord von Arabern umgebracht wurde, die sich als Journalisten ausgaben.
    »Alle Angestellten behaupten, von nichts eine Ahnung zu haben. Shire habe darauf bestanden, daß sein Interviewpartner und dessen Begleitschutz, die Gesichtsmasken tragen würden, ungestört Zutritt zum Hinterzimmer bekämen, in dem er wartete.«
    »Wo ist der Leichnam jetzt?« fragt Malik.
    »In einer Moschee in der Nähe seines Hauses.«
    »Gehen wir zur Moschee oder zu seinem Haus?«
    »Zuerst zur Moschee, dann zum Friedhof.«
    Es dauert lange, bis sich die Fahrzeuge zu einer Prozession formiert haben. Wenn ungefähr zwanzig Wagen in einer Stadt, in der Frieden herrscht, eine ordentliche Schlange bilden wollen, muß ein Uniformierter, ein Verkehrspolizist etwa, den Weg freimachen. Eine wohlgeordnete Autokolonne während eines Bürgerkriegs organisieren zu wollen ist jedoch ein Ding der Unmöglichkeit.
    Aber schließlich setzen sie sich doch in Bewegung, und Malik fragt Fee-Jigan, ohne direkten Bezug auf ihre letzte Begegnung auf Ma-Gabadehs Anwesen zu nehmen, welche

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