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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Vernachlässigung gewachsen sind; Verkaufsstände, bloße Bretterbuden, wurden inmitten einer ehemaligen Durchgangsstraße errichtet, die nun völlig blockiert ist. »Diese Stadt könnte Recht und Ordnung wahrlich vertragen, und zwar in Form eines funktionierenden Staates!«
    Malik schreibt fieberhaft mit, ist mit der Tour durch die Stadt sehr zufrieden. Jeebleh leidet, ist schockiert und traurig.
    Dajaal fährt an den Straßenrand und hält an. Ob er wisse, wo sie sich befinden, fragt er Jeebleh. Jeebleh hat keine Ahnung. Er sucht vergeblich nach charakteristischen Merkmalen, die ihm Hinweise geben könnten. »Als du uns letztes Mal besucht hast, befand sich hier die grüne Linie, die die Territorien der beiden Warlords trennt.«
    Mittlerweile hat Malik etliche Seiten vollgekritzelt. »Wie weit sind wir von Siinlay entfernt?« Er meint den Ort, an dem das heftigste Gefecht zwischen den von der CIA finanzierten Warlords und den Extremisten stattfand und das damit endete, daß die Extremisten die Warlords aus der Stadt jagten.
    »Siinlay ist weit weg«, antwortet Dajaal.
    »Was ist mit dem Bakaaraha-Markt?«
    »Zu spät«, erwidert Dajaal.
    »Außerdem benötigt man dazu einen ganzen Tag«, fügt Jeebleh hinzu.
    Dajaal schaut auf seine Armbanduhr und schaltet das Radio ein, gerade rechtzeitig, um zu hören, wie ein Extremist verkündet, die Armee der Gläubigen, die den größten Teil Somalias beherrsche, erkläre Äthiopien den Krieg.
    »Das ist Wahnsinn«, sagt Jeebleh.
    »Dieser törichte Mann, der Äthiopien den Krieg erklärt, glaubt wohl, daß der Einmarsch in das Land mit der größten Militärmacht in diesem Teil Afrikas der reinste Spaziergang wird.«
    Schweigend fahren sie zur Wohnung.
    Ungefähr eine Stunde nachdem er sie abgesetzt hat, ruft Dajaal an und teilt Jeebleh mit, daß er, wie Malik gebeten hat, Gumaad mitbringen wird. Malik ist an Gumaads Meinung zur Kriegserklärung interessiert. Er möchte wissen, was ein glühender Anhänger der Union dazu zu sagen hat.
    In der Küche improvisiert Jeebleh ein leichtes Mahl. Er ist besorgt, weil er gerade von Malik erfahren hat, daß Vollbart nicht nur die Nacktfotos von Maliks kleiner Tochter, einige Zeitungsartikel und Dateien gelöscht hat, sondern auch den Laptop mit einem Virus infiziert hat. Momentan funktioniert der Laptop ab und zu, geht aber immer wieder aus und verweigert auch gelegentlich den Neustart.
    Jeebleh ist betrübt, daß die Dinge bisher nicht so gelaufen sind, wie er und Malik sich erhofft hatten; er bedauert, daß weder er noch Dajaal Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben, damit Malik nicht unter einem Mann zu leiden hat, der behauptet, den Interessen der Union zu dienen. Jeebleh ist erschöpft, ihm fallen wie von selbst die Augen zu, er befindet sich in ferner Vergangenheit, stattet seiner und Biles Kindheit einen nostalgischen Besuch ab, geht zurück in seine Studentenzeit in Italien mit Bile und Seamus. Er denkt an den heutigen Besuch bei Bile, und die Erinnerung deprimiert ihn.
    Viele Jahre liegen zwischen den wichtigen gemeinsamen Erlebnissen, jedes stellte einen Wendepunkt in einem Leben dar, dessen Möglichkeiten ausgeschöpft wurden. Gerne möchte Jeebleh noch seine Pflicht gegenüber seiner Mutter erfüllen, deren Grab er irgendwann besuchen wird, vielleicht allein, vielleicht mit Malik – allerdings nur unter der Voraussetzung, daß er nicht in einem seiner Artikel darüber schreibt. Er möchte die Erinnerung an seine Mutter schützen.
    Das Klopfen an der Tür fällt mit dem Klingeln von Jeeblehs Handy zusammen. Dajaal steht draußen. Jeebleh macht sich daran, die Sicherheitsvorrichtung aufzusperren, schiebt den Riegel von der Metallplatte zurück, die die Tür verstärkt und als zusätzliches Hindernis fungiert, bewaffnete Eindringlinge abzuhalten, und öffnet dann die Tür.
    Als erster kommt Gumaad herein, mit leeren Händen und piekfein gekleidet; er grinst übers ganze Gesicht. Jetzt, da er Eindruck zu machen versucht, findet Jeebleh ihn weniger überzeugend. Dajaal folgt ihm, drückt die Tür weiter auf. Malik kommt rechtzeitig dazu, um ihn etwas hereintragen zu sehen, das wie eine in einen handgewebten Schal eingewickelte Servierplatte aussieht, jene Art Tuch, in die würdige Muslime auf ihrem Weg zur Begräbnisstätte gehüllt werden.
    Sobald er in der Wohnung ist, steuert Dajaal auf den Eßtisch zu, Gumaad folgt ihm auf dem Fuß, um genügend Platz für die Platte zu machen. Dajaal stellt sie vorsichtig ab, ungefähr wie

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