Gekapert
entsetzt Malik. »Warum einen Tyrannen provozieren, den man nicht schlagen kann, weil man militärisch äußerst schwach ist?«
»Allah ist auf unserer Seite«, sagt Gumaad.
Schweigen senkt sich über das Zimmer, bis Dajaal undeutlich sagt: »Der Verteidigungssprecher ist ein Dummkopf, der seinen Mund nicht halten kann.«
Damit Gumaad und Dajaal nicht verbal aufeinander losgehen und seine Pläne gefährden, fragt Malik: »Kennen wir die Stärke seiner Armee, wissen wir, wie viele Männer kampfbereit sind?«
Gumaad gesteht, daß er keine Ahnung habe.
»Kennst du jemanden, der es wissen könnte?«
»Ich frag mal rum«, sagt Gumaad.
Jeebleh steht auf. »Tee oder Kaffee?«
In der Küche deckt Jeebleh das Lammgericht mit Alufolie ab und stellt es zum Auskühlen hin. Während Dajaal und Gumaad auf dem Balkon lautstark über eine Drohne am Stadthimmel diskutieren, hilft Malik Jeebleh. Jeeblehs Hände sind schaumnaß, und Malik bietet an, die Teller abzutrocknen und wegzuräumen. Währenddessen versucht er, nicht mit den Gedanken abzuschweifen und über seinen Laptop nachzugrübeln; er ist entschlossen, sich einen neuen Rechner zu kaufen, wenn möglich morgen.
»Könntest du vielleicht Tee und Kaffee servieren?« fragt Jeebleh.
»Klar«, sagt Malik und trägt das Tablett auf den Balkon.
Dajaal und Gumaad verstummen, als Malik hinzukommt. Jeder von ihnen gibt mehrere Löffel Zucker in seinen Tee. Dann trinken sie, Gumaad gibt schlürfende Geräusche von sich.
»Sag mal«, fragt er Malik, »hattest du Gelegenheit, ein paar Artikel von somalischen Journalisten zu lesen? Ich hoffe, daß du einige von ihnen interviewen kannst.«
Malik zögert, unangenehm berührt.
»Mach dir keine Sorgen«, sagt Dajaal, »uns kannst du die Wahrheit sagen, denn uns ist klar, daß die meisten nicht besonders gut sind. Gumaad und mir ist bewußt, daß keiner von ihnen eine qualifizierte Ausbildung hat.«
»Los, sag uns deine Meinung«, wird Dajaal von Gumaad unterstützt.
Malik wählt seine Worte mit Bedacht. »Meiner Meinung nach bestehen die Artikel aus wahllos zusammengewürfelten Meldungen, die wiederum aus unzähligen Vorurteilen bestehen, für die es wenig bis gar keine Grundlage gibt. Ich habe den Verdacht, daß nicht ein einziger von ihnen Hintergrundrecherche betrieben hat. Zudem wimmelt es von Fehlern, weil sie wahrscheinlich keine Korrektoren haben.«
»Was kannst du erwarten«, sagt Dajaal, »schließlich sind sie Autodidakten und schreiben für Zeitungen, die eine bestimmte Ausrichtung haben und die Interessen bestimmter Clans vertreten.«
»Also bitte, bleib fair, Dajaal«, sagt Gumaad.
»Was für eine Ausbildung hast du gehabt?« geht Dajaal ihn an.
Gumaad wechselt das Thema. »Einige, mit denen ich zusammengearbeitet habe, kenne ich näher. Sie wurden ein paar Monate lang eingearbeitet.«
»Wenn’s hochkommt, drei Monate«, sagt Dajaal.
»Ich bewundere ihren Mut trotzdem, auch wenn sie keine Ausbildung haben«, sagt Malik vermittelnd. »Sie werden ins Visier genommen, umgebracht – und die Überlebenden schreiben trotzdem weiter. Ich ziehe meinen Hut vor ihnen.«
Jeebleh kommt hinzu, in der Hand seinen ungezuckerten Kaffee, und Malik gibt ihm eine Zusammenfassung ihres Gesprächs. Er nickt zustimmend und schweigt.
Die Nacht ist mild. Die Sterne funkeln und die Luft ist leicht salzig. Es war ein langer Tag. Gumaad und Dajaal sind immer noch in ihre ausufernde Debatte verstrickt. Dajaal hat zweimal die Nerven verloren, für einen kurzfristigen Vorteil seine Redegewandtheit geopfert, ist um ein Haar beleidigend geworden. Das ist ganz untypisch für ihn, denkt Jeebleh.
Jeebleh gefällt Gumaads Großspurigkeit nicht, er glaubt aber, daß es für Malik gut ist, jemanden zu treffen, der die Ansicht der Extremisten vertritt. Gumaad bestätigt, daß die Garnisonsstadt Baidoa unter Belagerung steht. Die Extremisten kontrollieren alle Zufahrten, Lastwagen mit Nahrungsmitteln oder Treibstoff können weder hinein noch hinaus. Allein in der vergangenen Woche explodierten im Stadtzentrum zwei ferngesteuerte Bomben, die mehrere Tote forderten. Die Belagerung verschärft die Risiken und bringt unermeßliches Leid über die Einwohner.
»Erwartest du einen baldigen Einmarsch?« fragt Malik.
»Die Vorteile liegen auf unserer Seite, und wir werden angreifen.«
»Angreifen, während die Verhandlungen laufen?« fragt Malik.
»Die Äthiopier, unsere Erzfeinde, arbeiten mit den Vereinigten Staaten zusammen und die Vereinigten
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