Gekapert
dachte, vielleicht tust du das auch«, sagt Malik.
»Und was hast du nun vor?«
»Ich werde vielleicht zu Bile und Cambara ziehen.«
»Würdest du dich bei ihnen sicherer fühlen.«
»Ja.«
Warsame fährt am Sicherheitspersonal vorbei, das vor dem Hoteltor steht. Während er das Fahrzeug im Schatten parkt, ruft er Xalan an, erklärt, warum sie sich verspätet haben und daß Ahl mit ihnen ein spätes Mittagessen einnehmen wird.
Ahl steigt etwas wacklig aus, holt seine Taschen aus dem Auto und geht auf das Schild zu, auf dem Respektion steht, belustigt, daß keiner der auf dem Parkplatz herumlungernden Hoteldiener ihm Hilfe anbietet. Mit leicht verkrampften Oberschenkelmuskeln erreicht er den Vorbau, spürt deutlich, daß er schon seit ein paar Tagen keinen Sport mehr getrieben hat. Unwahrscheinlich, daß dieses Zweisternehotel über einen Fitnessraum verfügt, denkt er, und wahrscheinlich ist es nicht besonders klug, hier joggen oder schwimmen zu gehen.
An der Rezeption sind zwei junge Männer ins Kartenspiel vertieft. Einer der beiden hat eine Lücke zwischen den Schneidezähnen und der andere trägt einen Irokesenschnitt. Auch wenn keiner eine Uniform anhat, vermutet Ahl, daß Zahnlücke derjenige ist, der das Sagen hat. Er würde darauf wetten, daß er entweder der Sohn oder ein naher Verwandter des Hotelbesitzers ist. Nach der Schule besetzt er die Rezeption, während sein Freund mit ihm den Nachmittag verbringt.
»Was wollen Sie?« fragt Zahnlücke Ahl.
Ahl weiß nicht so recht, was er sagen soll, weil ihm mittlerweile aufgefallen ist, daß Zahnlücke seinem Stiefsohn Taxliil entfernt ähnelt: Die Art und Weise, wie sie sich von der Welt und dem Dreck, der überall herrscht, distanzieren, als wollten sie sauber bleiben, und ihr Lächeln, so entzückend wie unangebracht, ist ein Lächeln, das oft zu Mißverständnissen führt.
»Ist für Ahl ein Zimmer reserviert?«
Zahnlücke teilt ihm mit, daß er in Zimmer 15 untergebracht sei.
Allein geht Ahl die Wendeltreppe mit den unebenen Stufen zu seinem Zimmer hoch, erfreut über das geringe Gewicht seiner Taschen und zufrieden, daß seine Bedürfnisse so bescheiden sind. Vor Zimmer 15 bleibt er stehen. Die Tür steht offen, der Schlüssel wird nicht gebraucht. Er sieht in das riesige Zimmer hinein, hinter dem Bett ist die Wand tadellos gefliest, die braunen Kacheln heben sich von dem Weiß ab. Im Zimmer befindet sich ein Mann, der an den Knöpfen und Kabeln eines Fernsehers herumfummelt, aus dem ein Wortschwall herausdröhnt, der sich zunächst fremdländisch anhört, weil die Lautstärke unerträglich ist und die Wörter deshalb beinahe nicht zu unterscheiden sind.
»Bitte«, fleht Ahl, »machen Sie den Fernseher aus.«
»Ich repariere Ihren Fernseher, Sie haben Satellitenanschluß«, brüllt der Mann , macht dem Lärm Konkurrenz. Er kaut qaat, und seine Zunge, die beim Sprechen zu sehen ist, ähnelt der eines Chamäleons – schmal und abstoßend.
Ahl wiederholt seine Bitte, diesmal langsam, damit der Mann ihn besser versteht. Der bleibt auf seinen Fersen hocken. Er starrt auf den Drehknopf in seiner rechten Hand, als wollte er ihn für sein halsstarriges Benehmen rügen – wahrscheinlich liegt es an diesem Teil, daß der Fernseher nicht funktioniert. »Ich muß das Problem beheben«, schreit er.
»Machen Sie das bitte später«, sagt Ahl.
Doch der Techniker reagiert nicht. Er ist angewiesen worden, dafür zu sorgen, daß in allen Zimmern ein funktionierender Fernseher steht. Ahl spürt, wie ihm durch den Krach die Sinne schwinden oder er, noch schlimmer, den Verstand verlieren wird. Man hat ihm allerdings geraten, im Umgang mit jungen Somaliern Vorsicht walten zu lassen. Die Leute hier sind ein nervöser Haufen, schnell erregbar und schnell mit der Waffe bei der Hand.
»Bitte«, sagt er in beruhigendem Tonfall, »bitte.«
Das erste Bitte schreibt er dem somalischen Teil seiner Erziehung zu, der Rücksichtnahme bis zur Förmlichkeit treibt, und das zweite Bitte der Furcht, die berühmt-berüchtigte somalische Griesgrämigkeit herausgefordert zu haben. »Ich müßte ins Bad. Dringend.«
Endlich schaltet der Techniker den Fernseher aus, niedergeschlagen, offensichtlich gekränkt und, wie um seinen Ärger zu demonstrieren, kaut er wild auf seinem qaat- Klumpen herum. Ehe er beleidigt abziehen kann, fragt Ahl ihn: »Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?«
»Was wollen Sie?« raunzt der Mann.
»Wenn die Küche noch geöffnet hat, würde ich gern
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