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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Reedereien zuspitzt.«
    »Mit wem verhandeln die Unterhändler?« fragt Ahl.
    »Mit Mittelsmännern«, antwortet Fidno, »oft durch Verbindungsmänner, die in Mombasa oder Abu Dhabi sitzen.«
    »Also kommen sie nicht nach Puntland, sondern ziehen es vor, Mittelsmänner zu beauftragen?«
    »Sie bleiben hinter ihren Schreibtischen in London, Tokio oder Moskau, wo auch immer sie sonst sitzen mögen. Eine meiner Aufgaben ist es, die Dinge auszubügeln, wenn sich die Situation zuspitzt, was häufig der Fall ist. Jeder dieser Männer – Versicherer, Mittelsmänner, Zwischenhändler – bekommt, abhängig von seiner Stellung und Bedeutung in der Hierarchie, seinen Anteil, ohne dabei in direkten Kontakt mit uns zu treten.«
    »Zu viele Menschen, zuviel Geld, und keine Gespräche von Angesicht zu Angesicht – führt das nicht mit großer Wahrscheinlichkeit zum Fiasko?« wagt Ahl zu äußern.
    »Es führt zu Betrug, Unaufrichtigkeit und Fälschungen«, sagt Fidno. »Und wir sind die Angeschmierten. Wir werden betrogen, und trotzdem können wir es der Welt nicht beweisen, weil sie Rückhalt bei den internationalen Medien haben und wir nicht.«
    »Moment, Moment, was sagen Sie da?«
    »Nehmen wir an, Sie lesen, wo immer Sie auch gerade sind, in der Zeitung, daß die Reederei eines Schiffes, das von somalischen Piraten entführt worden ist, fünf Millionen Lösegeld gezahlt hat«, sagt Fidno.
    »Nehmen wir das einmal an.«
    »Was, wenn ich Ihnen sagen würde, daß der Großteil der fünf Millionen London, wo die Versicherer sitzen, gar nicht verlassen wird, weil keine Bank in Großbritannien dem zustimmen würde?« fragt Fidno.
    »Das ergibt Sinn«, stimmt Ahl zu.
    »Was, wenn ich Ihnen sagen würde, daß nach monatelangen Verhandlungen, Vorschlägen und Gegenvorschlägen, gebrochenen Abmachungen und Verzögerungen nur eine halbe der ursprünglichen fünf Millionen bei den Piraten ankommt? Zuerst nehmen sich die Unterhändler der in London ansässigen Versicherer, der Mittelsmann in Abu Dhabi und die Vermittler in Mombasa jeweils ihren Riesenanteil, so daß die endgültige Summe zu einem bloßen Taschengeld zusammenschrumpft, von dem der Geldgeber, der die Entführung finanziert, auch noch die Piraten, die das Schiff in ihrer Gewalt haben, bezahlen muß. Sie kennen ja das somalische Sprichwort Mana wasni, warna iraac , das einer Frau zugeschrieben wird, die verdächtigt wurde, der körperlichen Liebe gefrönt zu haben, dabei hatte der Mann sie nicht einmal berührt. Wie man es auch dreht und wendet, wir sind am Arsch, und daß uns das nicht gefällt, muß ja wohl nicht erwähnt werden.«
    »Da stehen einem die Haare zu Berge«, sagt Ahl.
    »Diese völlige Respektlosigkeit erbost uns sehr.«
    »Das ist in der Tat kriminell«, sagt Ahl.
    Fidno ist jetzt nervös, wie ein Mafioso, der es nicht gewohnt ist, die Gründe für sein Tun zu erläutern. Er lehnt sich vor, eine entlarvende Geste, als wollte er ein Geheimnis verraten. Nachdem er sich gründlich umgeschaut hat und den Kellner mit der Rechnung und den beiden Kaffees kommen sieht, ändert er allerdings seine Meinung. Ahl begleicht die Rechnung in Dollar. Danach nehmen sie ihr Gespräch wieder auf.
    »Welche Rolle spielen Sie bei diesen Geschäften genau?«
    »Die meisten Piraten betrachten mich als Mann für alle Fälle. Ich bin Zwischenglied, Verbindungselement, auch Feuerlöscher, wenn es gilt, Feuer zu löschen. Für die Reeder, die Londoner hinter ihren Schreibtischen, bin ich gleichfalls der Mann für alle Fälle. Ich kümmere mich um die Versicherung und alle Sicherheitsbelange für den Kapitän, die Mannschaft und das Schiff samt Ladung. Für die Männer am Suezkanal und viele andere Männer, die in verschiedenen Häfen in verschiedenen Ländern postiert sind, bin ich ebenfalls der Mann für alle Fälle, Männer, die in die geheimen Einzelheiten eingeweiht sind, was die Routen der Schiffe betrifft, welcher Art das Frachtgut ist, ob legal oder illegal, ob die Fracht aus Chemieabfall besteht und wo sie verklappt werden soll. Ich vermerke auch die Einzelheiten, was das Ablegen und die Zielhäfen der Schiffe betrifft.«
    »Sie sind ja wirklich ein Mann für alle Fälle«, sagt Ahl.
    »Seeräuberei ist ein hochriskantes Geschäft«, fährt Fidno fort. »In diesem Fahrwasser kommt man schnell um. Je nachdem, wie man die Sache angeht, kann man Geld wie Heu machen. Hängt damit zusammen, wer das Lösegeld einsammelt, während die jungen Somalier das Schiff festhalten; wem die

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