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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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geheimnisvolle Mann zu Taxliil?
    »Die Küche ist geschlossen«, sagt der Kellner.
    »Das reicht für zwei. Bitte bringen Sie noch einen Teller und Besteck«, sagt Ahl. »Wir können uns das Essen teilen.«
    Der Kellner brummt verärgert vor sich hin, erfüllt aber Ahls Wunsch. Mit offensichtlicher Begeisterung langt der Mann zu.
    »Wir hatten noch nicht das Vergnügen«, sagt er, »ich weiß, daß Sie Ahlul K hair heißen. Mein voller Name lautet Ali Ahmed Fidno, aber meine Freunde nennen mich Fidno.«
    »Woher wissen Sie, wer ich bin?« fragt Ahl.
    Vorsichtig wie eine Katze, die ihren Fang verteidigt, fletscht Fidno die Zähne und gibt eine Art Tiergeräusch von sich, das tief aus seinem Innern zu kommen scheint. Verblüfft richtet Ahl seinen Blick zuerst auf Fidnos Hand, die sich zur Faust schließt, die Knöchel treten weiß hervor, und dann auf die Hängebacken, die sich aufzublasen scheinen, als wollten sie aufziehenden Ärger verkünden. Fidno blickt zur Seite, zieht dann einen großen braunen Umschlag hervor, auf dem er bisher gesessen hat und lehnt sich vor. »Hier. Ich habe Ihnen diese Fotos mitgebracht.«
    Ahls Phantasie geht mit ihm durch: Vor seinem geistigen Auge sieht er Fotos, auf denen Taxliil im Tarnanzug in irgendeinem Trainingslager hier in der Nähe posiert.
    »Fotos, die wen oder was zeigen?«
    »Fotos von ein paar Jungs, die ihr eigenes Ding drehen.«
    Ahl hofft, daß Fidno ihn nicht für einen Perversling hält. Glaubt er vielleicht, daß Ahl ein Tourist ist, der es auf junge Kerle abgesehen hat, mit denen er sich vergnügen kann? Ahl vergeht der Appetit. Er legt das Besteck weg. »Wer ist auf den Fotos zu sehen?«
    Fidno quittiert die Frage mit Schweigen.
    »Warum sind Sie mit den Fotos ausgerechnet zu mir gekommen?«
    »Am Flughafen hat mir jemand, der Sie ankommen sah, gesagt, daß Sie somalischer Journalist sind und in Amerika leben.«
    »Lassen Sie mich einen Blick darauf werfen.«
    Ahl zieht die Fotos aus dem Umschlag und läßt sich beim Betrachten Zeit, während er Fidnos Kommentaren lauscht. Alle zeigen tatsächlich junge Männer – in Booten, auf Schiffen, mit Gewehren –, die Sturmhauben tragen und andere Männer festhalten. Junge Männer, die essen, schlafen, miteinander herumalbern, mit ihren Handys telefonieren, manche tragen die Jacken, die sie ihren Geiseln abgenommen haben, von denen es ebenfalls Fotos gibt. Die Namen der Schiffe und deren Herkunft sind auf den Seitenrand gekritzelt: Ukraine, Rußland, Italien, Türkei, Israel, Saudi-Arabien, Philippinen, Indien. Die Ausbeute ist groß. Aber die jungen Männer, die die AK -47 schwingen, jene zusammenlegbaren Maschinengewehre, sind mager, sehen hungrig aus, viele von ihnen wirken so schlecht auf das Leben vorbereitet wie Paris Hilton, wenn sie gegen Mike Tyson in den Ring träte. Sind diese Jugendlichen Piraten? Und wenn sie keine Piraten sind, was sind sie dann?
    Wird Fidno, der an seinem Tisch sitzt und die letzten Fischbröckchen von den Gräten abfusselt, ihm mehr sagen können? Wird er bereit sein, sich auch mit Malik zu unterhalten? Kann Fidno ihm helfen, Taxliil aufzuspüren?
    »Woher haben Sie die Fotos?« fragt Ahl.
    Fidno kaut auf einem Zahnstocher herum, läßt sich alle Zeit der Welt.
    »Von einem Fotografen, den ich engagiert habe.«
    Schade, daß Fidno kein Pirat, kein Freibeuter oder Korsar ist, denn er besitzt diesen Charme, der Frauen die Arme hinter dem Kopf verschränken läßt, so daß sich die Brüste wölben und die Achselhöhlen entblößt werden. Was finden Frauen an Piraten bloß so charmant, warum kichern sie in ihrer Gegenwart derart einladend? Ahl erinnert sich an die Sizilianerin, die genau das binnen der ersten Stunde ihres Kennenlernens getan hatte. Wie eine Katze, die sich auf den Rücken legt und darauf wartet, gekrault zu werden.
    »Und in welcher Funktion haben Sie das getan?« fragt Ahl.
    Fidno betrachtet die Reste des Mittagessens, die noch nicht abgeräumt worden sind. Ahl winkt dem in der Nähe stehenden Kellner, die Teller abzutragen und die Rechnung zu bringen.
    »Und wenn es geht, Kaffee«, sagt Fidno.
    »Zwei Kaffee. Für mich Espresso«, sagt Ahl.
    »Meinen lungo , mit viel Zucker«, sagt Fidno.
    Als der Kellner fort ist, fragt Ahl noch einmal: »In welcher Funktion?«
    »Ich habe die Fotos in meiner Funktion als Unterhändler, als Dolmetscher machen lassen, vor allem aber als Vermittler, der eingesetzt wird, wenn sich die Situation zwischen den Piraten und den Unterhändlern der

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