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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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Jahren fischen die Kenianer in den somalischen Gewässern. Piraten wurden an sie ausgeliefert und vor ihre bestechlichen Gerichte gestellt, und auch sonst haben die Kenianer in vielerlei Hinsicht vom Zusammenbruch Somalias profitiert.«
    Malik ist bekannt, daß Kenia von ausländischen Botschaften und allen UNO -Organen, die mit Projekten zu Somalia befaßt sind, Millionen in harter Währung einheimst, da alle diese Projekte aufgrund des in Somalia herrschenden Chaos ihren Sitz in Kenia haben. Trotzdem versteht er nicht alles, was Dajaal sagt. »Von welchen kleinen Fischen sprichst du?« fragt er.
    »Viele Somalier, die das Land schon vor längerem verlassen und irgendwo eine andere Staatsbürgerschaft angenommen hatten, kamen während der Herrschaft der Union wieder nach Somalia und labten sich an Milch und Frieden«, sagt Dajaal. »Was wohl mit ihnen passieren wird, wenn sie jetzt mit ihren ausländischen Pässen in ihre Heimat zurückkehren? Die Kenianer werden die Situation natürlich ausnutzen.«
    Es klopft an die Tür. »Wer ist da?« fragt Malik
    »Ich bin’s, Gumaad.«
    Malik fragt nicht, ob Gumaad allein oder wieder in Begleitung ist. Er öffnet die Tür.
    Gumaad ist allein, aber er ist ganz offensichtlich nicht erfreut, Qasiir und Dajaal bei Malik vorzufinden. Er sieht aus, als wäre er in einen Kampf geraten. An seinen Schuhen fehlen die Schnallen, die Hose hat hinten Flecken und sein Hemd ist dreckig und zerknittert. Stroh hängt in seinem ungekämmten Haar. Zudem ist er voller Schuppen, als litte er unter einer Hautkrankheit.
    »Wo hast du dich denn herumgetrieben?« fragt Qasiir.
    Gumaad will sich nicht festlegen. »Hier und da.«
    »Du warst doch auf der Flucht, hast dich mit DerScheich irgendwo in einem Rattenloch versteckt und gewartet, daß du dich aus der Stadt schleichen kannst wie ein Dieb in der Nacht.«
    »Es war hart«, sagt Gumaad an Malik gewandt.
    Malik reicht ihm ein Handtuch. »Hier, für deine Dusche. Und danach reden wir.«
    Dajaal ist ein Ausbund an Zurückhaltung und schweigt, bis Gumaad im Badezimmer verschwunden ist. Dann wiederholt er das in der Stadt umlaufende Gerücht, daß DerScheich in einem Flugzeug nach Asmara sitzt, wo er Gast der eritreischen Regierung sein wird. DerAndereScheich, der als gemäßigtere Kraft der Al-Schabaab gilt, soll angeblich auf dem Weg zur kenianischen Grenze sein, um politisches Asyl zu suchen.
    Als Gumaad aus dem Badezimmer kommt, fragt Dajaal sofort, wo DerScheich sei. Da kannst du genausogut einen Mafiaspeichellecker fragen, wo sein Boß ist, denkt Malik.
    »Irgendwo in der Stadt«, erwidert Gumaad ruhig.
    »Du lügst«, sagt Dajaal.
    Malik fragt sich, ob Gumaad zu jenem Typus gehört, dem genausowenig bewußt ist, daß er lügt, wie er tote Hautzellen abstößt. Er hat eine ganze Reihe krankhafter Lügner kennengelernt, Männer wie Frauen.
    »Warum sollte ich lügen?« kontert Gumaad.
    »Die Stadt ist klein. Wo genau steckt er?«
    »Um dir das zu verraten, vertraue ich dir nicht genug.«
    »Wenn er sich in der Stadt befindet«, sagt Dajaal, »dann wette ich darauf, daß er sich irgendwo versteckt, wie ein Hund, der an seinem Knochen nagt. Man stelle sich vor, DerScheich, auf dem die Hoffnung der Nation ruhte, versteckt das Gesicht, zeigt aber seine Angst. Willst du uns das damit sagen?«
    Dajaal macht keinen kranken Eindruck mehr, er ist voll wütender Energie – Wut wegen des Attentats auf seinen Freund, Wut wegen des in seinen Augen durch die Union provozierten Einmarsches.
    »Opa, bitte«, sagt Qasiir. »Warum quälst du Gumaad so?«
    »Seine Lügen regen mich auf.«
    »Bis jetzt habe ich nicht gelogen«, sagt Gumaad.
    »Die ausländischen Nachrichtenagenturen sagen, DerScheich sitze in einem Flugzeug Richtung Asmara.«
    »Warum ihnen und nicht Gumaad glauben?« fragt Qasiir.
    »Stimmt. Warum nicht mir glauben?«
    »Sie haben nicht ganz unrecht«, mischt sich Malik ein.
    Aus der Nähe ist Gumaads wahre seelische Verfassung ersichtlich. Tränen steigen ihm in die Augen. Er scheint nicht zu lügen, tut es vielleicht tatsächlich nicht. Immerhin versteckte sich StrongmanSouth, als er Warlord war, mehrere Monate lang in Mogadischu, ohne daß ihn die ausländischen »Eindringlinge« festnahmen. Vielmehr veranstal­tete er in weniger als einer Meile Entfernung von den Unterkünften der Marines Partys, und sie fanden ihn nie. Wird DerScheich die Äthiopier ähnlich an der Nase herumführen, gesetzt den Fall, er ist geblieben, um den Widerstand

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