Gekauft für den Harem
verrückt gegen die Rippen. Was sagte er da? Ihr Brustkorb fühlte sich an, als wolle sich eine Eisenklammer darum schließen, und sie bekam kaum Luft.
„Jede Frau wäre stolz und glücklich, Eure Gattin zu sein, Mylord.“
„Wenn sie es aber gewohnt war, ihre Freiheit zu haben … wenn es ihr gegen den Strich geht, dass sie nicht ausreiten kann, wann immer ihr danach zumute ist … wenn sie Leibwachen um sich dulden muss, weil sie entführt oder getötet werden könnte …?“ Doch die bedeutungsvollste Frage von allen stand in Kasims Augen zu lesen. Harriet schluckte trocken. „Könnte eine Frau auch unter solchen Umständen glücklich werden?“, fragte er weiter. „Eine geistig unabhängige Frau? Eine Engländerin? Würde sie das Leben an meiner Seite nicht irgendwann unerträglich finden und sich nach ihrer Heimat sehnen? Würde sie nicht anfangen, den Mann, der sie zur Gefangenen gemacht hat, zu hassen?“
„Das hängt davon ab, welche Gefühle sie diesem Mann entgegenbringt. Wenn sie ihn liebt, wird sie bereit sein, all das auf sich zu nehmen und sein der Pflichterfüllung und dem Wandel gewidmetes Leben zu teilen.“
„Wandel?“
„Ihr werdet über eine große Machtfülle verfügen. Und es gibt vieles, das verbessert werden könnte … die Unterbringung und die Pflege der Kranken etwa, aber auch die Lebensbedingungen der Sklaven und der Frauen im Harem.“
„Das ist richtig, doch ich kann nicht über Hassans Harem bestimmen – und genauso wenig über die anderer Männer, die mehrere Frauen haben. So sind die Gebräuche hierzulande, sie lassen sich nicht einfach ändern. Und meine Macht reicht nicht bis in den Palast des Sultans oder die privaten Häuser der Menschen.“
„Kein Herrscher kann alles erreichen“, sagte Harriet lächelnd. „Aber aus einer kleinen guten Tat entsteht manchmal etwas Großes; so, wie mit den Jahren aus einer Eichel eine mächtige Eiche wird.“
„Meint Ihr das Flattern der Schmetterlingsflügel, das einen Sturm auf der anderen Seite der Weltkugel hervorruft?“ Kasim musterte sie aufmerksam. „Ihr sprecht wie ein Philosoph, Harriet. Habt Ihr schon gegessen?“
„Nein. Ich war nicht sicher …“ Sie räusperte sich. „Ich hatte keinen Hunger.“
„Dann nehmt Platz und leistet mir beim Essen Gesellschaft.“ Kasim klatschte in die Hände und befahl dem herbeieilenden Diener, die Speisen zu bringen. Der Mann wirkte überrascht, brachte seine Gesichtszüge jedoch augenblicklich wieder unter Kontrolle und verließ den Raum, um die Anweisung auszuführen. „Meine Diener werden sich fragen, ob ich den Verstand verloren habe. Hierzulande schicken Männer nicht nach einer Frau, um nichts anderes zu tun, als mit ihr zu essen.“
„Ihr habt nicht nach mir geschickt, Mylord. Ich bin zu Euch gekommen.“
„Das ist wahr.“ Er wies auf die beiden Diwane, die in der Nähe der offenen, von Säulen getragenen Rundbögen standen, durch die man in die Gärten gelangte. „Setzt Euch. Aber ich hätte Euch in jedem Fall rufen lassen, weil ich mit Euch sprechen wollte.“
Der Diener kam mit einem Krug Fruchtsaft und einem mit Reis, Huhn, Kichererbsenmus, Fladenbrot und anderen Köstlichkeiten beladenen großen Messingteller zurück und stellte beides auf dem niedrigen Tisch zwischen den Diwanen ab. Er eilte ein zweites Mal aus dem Raum und brachte als Nächstes zwei große Portionen Sorbet in Pokalen aus dunkelrotem venezianischem Glas.
„Danke, das wäre dann alles“, entließ Kasim den Diener, um ihn im nächsten Moment noch einmal aufzuhalten. „Warte. Ich wollte dich etwas fragen.“
„Ja, Herr.“ Der Diener ließ einen prüfenden Blick über die Speisen gleiten. „Habe ich etwas vergessen?“
„Nein, es ist alles zu meiner Zufriedenheit. Was ich von dir wissen wollte – bist du mein Sklave?“
„Nein, Herr.“ Der Mann vermied es, in Harriets Richtung zu schauen. „Ihr gabt mir die Freiheit, sobald Ihr mich dem Sklavenhändler abgekauft hattet.“
„Aber du dienst mir. Warum bist du nicht fortgegangen und hast dein Glück woanders gemacht?“
„Weil ich es gut habe bei Euch“, antwortete der Mann ernst. „Und weil ich von dem Geld, das ich verdiene, meine Familie ernähren kann.“
„Danke.“ Kasim nahm auf dem Diwan gegenüber von Harriet Platz. „Ich brauche dich heute Abend nicht mehr.“
Der Diener neigte knapp den Kopf zum Zeichen, dass er verstanden hatte, warf Harriet einen schwer zu deutenden Blick zu und verschwand auf seinen
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