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Gekauftes Spiel

Gekauftes Spiel

Titel: Gekauftes Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Marke »Weihnachtstraum«. Es handelte sich
um mittelgroße Kuverts aus dickem Papier, die mit entsprechenden Duftträgern —
raschelndem Zeug, vermutlich getrockneten Blüten — gefüllt und fest
verschlossen waren. Die »Wintermärchen« zierte eine Landschaft mit viel Schnee,
auf dem »Weihnachtstraum« war ein geschmückter Tannenbaum im Lichterglanz
abgebildet.
    Klößchen hatte die Duftkissen
überall in der Bude verteilt. Eins lag unter seinem Kopfkissen und sollte ihm
zu weihnachtlichen Träumen verhelfen. Er fand das irre komisch.
    »Ist doch ein Gag, Tim. Jetzt,
mitten im Sommer. Außerdem — der Duft kühlt bei der Hitze. Jedenfalls die
Vorstellung von Weihnachten und Schnee. Du schwitzt ja nicht. Aber mir hilft
es.«
    »Meinetwegen!«, hatte Tim
geantwortet. »Aber du vergeudest einen Teil der Weihnachtsstimmung. Den für die
Nase. Alles, was Weihnachten bedeutet, sollte nicht vor dem ersten Advent
beginnen. Es ist ohnehin schrecklich, wie in den Geschäften alles vorgezogen
und damit kaputtgemacht wird. Anfang November Schokoladen-Weihnachtsmänner,
Engel, Adventsschmuck, Gestecke. Das zerstört die Stimmung und damit die
Gefühle. Man merkt es an den kleineren Kindern. Wenn dann endlich Weihnachten
ist, sind sie immun dagegen.«
    »Ich weiß ja nicht, wie’s bei
dir ist. Aber ich glaube nicht mehr an den Weihnachtsmann.«
    »Weil du selbst einer bist.«
    Jetzt, am frühen Abend, hatte
Tim das Fenster geöffnet und seinen Schreibtischstuhl dicht herangeschoben.
    Unter der Kastanie im Hof
schwebte eine Wolke winziger Mücken. Die Gebäude ringsum — Paukersilo, Grauer
Reaktor, Gelbes Haus — strahlten Hitze ab. In den Bäumen vom Pauker-Grün — dem
gepflegten Park — sangen Vögel ihr Abendlied.
    Hochsommer!, dachte Tim. Aber
bei uns riecht’s nach Weihnachten.
    Klößchen lag auf seinem Bett
und beobachtete den Wecker. Sein Magen knurrte bereits. Aber es war noch nicht
Zeit zum Abendessen. »Ist dir mulmig zumute?«, fragte er.
    »Wieso?«
    »Na, mir würden jedenfalls die
Hosenträger flattern, wenn ich mit Erik reden müsste.«
    »Wüsste nicht, weshalb ich
nervös sein sollte. Er baut den Mist. Ich will nur verhindern, dass er
in die Jauchegrube fällt und dort elend erstickt.«
    »Grässliches Ende. Trotzdem
frage ich mich, Tim, ob wir nicht vielleicht eine große Liebe zerstören. Könnte
doch sein!«
    »Spinnst du?! Erik zerstört
sein Leben, wenn er weitermacht. Sie würden ihn erwischen. Außerdem ist es
verwerflich. Der Gesetzgeber hat völlig Recht, wenn er eine solche Beziehung
verbietet.«
    Tim saß rittlings auf seinem
Stuhl, stand jetzt auf und beugte sich aus dem Fenster. Er blickte nach Westen.
Eben berührte die orangerote Abendsonne den Horizont, nämlich das blaugrüne
dunkle Waldgebiet hinter den Feldern. Vor der Sonne zog ein Vogelschwarm
vorbei. Tim tippte auf Wildenten.
    »Stell dir vor«, sagte er,
»Tatjana wäre deine Tochter. Würde es dir gefallen, wenn sie mit ihrem Pauker
balzt?«
    »Sie würde was hinter die Ohren
kriegen.«
    »Das sind Erziehungsmethoden
aus dem vorigen Jahrhundert. Aber ansonsten liegst du richtig.«
    Tim redete in Richtung
Sonnenuntergang, zog jetzt den Kopf zurück und schloss das Fenster. »Eriks
Dienst fängt gleich an. Ich geh ihn mal suchen.«
    »Du kannst nur unter vier Augen
mit ihm reden.«
    »Was dachtest du denn?!« Bevor
Tim die Tür von außen schloss, sagte er: »Wenn ich zurückkomme, sind die
Duftkissen weg. Verschenk sie oder mach dir einen Salat draus. Meiner Nase
reicht es jedenfalls.«
    »Wem soll ich sie schenken?«,
jammerte Klößchen. »Keiner will sie.«
    »Dann leg sie wenigstens in
deinen Wäscheschrank zu den modernden Socken.«
    Tim fand Erik Salk im
Parterreflur des Haupthauses, wo rechts und links zahlreiche Unterrichtsräume
liegen — auch der Raum der 9b, zu der TKKG gehören.
    Tim sah gerade noch, wie Erik den
Schüler Maximilian Schort in den Klassenraum der 10a schob, ihm nachfolgte,
aber die Tür nur anlehnte, denn der Flur war menschenleer. Erik hatte nicht
gesehen, dass Tim die Treppe herabkam und soeben um die Ecke bog.
    Hm!, dachte der TKKG-Häuptling.
Worum geht’s denn da?
    Er schlurfte näher, ohne den
Schritt zu dämpfen.
    Maximilian — Maxi genannt — war
17 und besuchte eine 11. Klasse. Er war 198 cm groß und hatte eine Figur wie
ein Laternenpfahl. Weil er sich absolut gerade hielt, wirkte er noch größer, als
er war. Er bückte sich selten, aber natürlich senkte er ständig den Blick,

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