Gekauftes Spiel
Ihre
Coolness.«
»Was?«
»Woher nehmen Sie die Nerven,
Herr Salk? Als Pädagoge, als Erzieher stauchen Sie einen Zögling zusammen wegen
einer Angelegenheit, die Ihrer Situation ziemlich ähnlich ist. Sie sind immer
noch der Lehrer, den wir hoch schätzen, haben in Ihrer Qualität nicht
nachgelassen. Aber ansonsten könnten Sie und Maxi sich die Hand geben.«
Erik starrte Tim an. Nicht
feindselig, sondern verblüfft, dann verwirrt; schließlich — nach wenigen
Sekunden — wechselte Erik die Farbe. Das Blut zog sich aus seinem Teint zurück.
»Ich muss dich noch mal
fragen«, sagte er mit belegter Stimme: »Was meinst du?«
»Ich meine, dass Sie — wie Maxi
— eine Beziehung haben, die Ihnen nicht gut tut. Tatjana ist 15. Was Sie da
machen, ist Missbrauch von Schutzbefohlenen. Nachzulesen im Strafgesetzbuch,
Paragraph 174. Aber das wissen Sie sicherlich. Bei allem Respekt — aber wir,
also meine Freunde und ich, meinen, dass Sie da eine große Dummheit begehen.
Sie riskieren nicht nur Ihr berufliches Aus, Sie riskieren auch fünf Jahre
Tütenkleben.«
Erik schluckte. »Jetzt
übertreibst du. So weit... ist es nicht gediehen, äh... Egal! Bitte, sag mir,
woher ihr es wisst. Von Tatjana?«
»Nein! Sie beide wurden
beobachtet.«
»Wobei?«
»Bei leidenschaftlichen
Küssen.«
Erik nickte, als hätte er das
vermutet. »Dann habt ihr uns vorhin beobachtet. In der Baracke. Eine andere
Möglichkeit gibt es nicht. Denn vorhin in der Baracke von Vorstadt-Süd, da
haben wir uns zum ersten Mal geküsst.«
»Und zum letzten Mal!«, sagte
Tim mit Nachdruck. »Vorher war also nix?«
»Nichts. Natürlich haben
Tatjana und ich gespürt, wie es uns zueinander hinzieht. Und wenn wir allein waren,
haben wir auch mit Worten... Aber sonst war nichts. Nicht mal Händchenhalten.«
Tim seufzte erleichtert. »Ich
glaube Ihnen.«
»Ich bereue schon die ganze
Zeit, dass ich mich habe hinreißen lassen. Am liebsten wäre ich mit dem Kopf
gegen die Wand gerannt. Ich habe mir bereits zurechtgelegt, wie ich Tatjana
beibringe, dass es keine Fortsetzung gibt. Ich muss warten, bis sie volljährig
ist — falls bis dahin nicht alles abgekühlt ist. Bei ihr oder bei mir.
Hoffentlich ist sie nicht gekränkt. Wenn sie mich bloßstellt, kann ich
einpacken. Emotionale Enttäuschung führt leicht zu solchen Ausrastern.«
»Sie wird’s verstehen, Herr
Salk. Sie wird vernünftig sein.«
Erik grinste. »Wer hat uns
beobachtet?«
»Gaby. Als sie’s erzählte, fiel
uns das Schmalz vom Baguette.«
»Ihr seid enttäuscht von mir?«
»Total. Aber ich bin ja hier,
um Sie zu retten.«
Beide grinsten. Erik schlug Tim
auf die Schulter. »Danke, dass ihr euch um mich sorgt.«
»Um Sie und um Tatjana.
Außerdem sind Sie als Trainer nicht zu ersetzen.«
7. Der
Pick-up auf dem Grab
Hier in dem Seitental waren die
Tage kürzer. Sonnenlicht fiel nur in wenigen Stunden auf die Casa Corto. Die
hohen Berge ringsum schnitten die Strahlen ab. Die Felswände waren feucht und
bemoost. An dem Grundstück schlängelte sich eine schmale Straße vorbei, führte
weiter, verschwand hinter einer Biegung und stieg dann ständig bergan — zu
einem öden Bergdorf, wie Edward Wilson wusste, einer Ansammlung ärmlicher
Hütten.
Das Grundstück war ziemlich
groß, der Zaun aus rostigem Stacheldraht, der Boden karg. Das Haus aus
Natursteinen trotzte Wind und Wetter seit vielen Jahrzehnten.
Als Wilson es von Roberto
Clausen kaufte, war nicht spontane Begeisterung der Grund gewesen, sondern sein
Mangel an Geld. Es reichte nicht zum Erwerb eines attraktiveren Anwesens, doch
Wilson wollte weg von der nebligen Insel, wollte in den Süden und dort
untertauchen. Er war auf der Flucht. Nicht dass er steckbrieflich gesucht
wurde, indes drei Exehefrauen stellten Forderungen an ihn. Es gab auch drei
Söhne zwischen acht und zwölf, für die er zahlen sollte, aber das ging ihm am
hinteren Teil der Hose vorbei. Die Mütter waren berufstätig, hatten gute Jobs.
Sollten die doch! Er dachte nicht daran. Er hatte den Namen gewechselt, hatte
gefälschte Papiere und fühlte sich sicher.
Dass er auf Nancy Drakes Grab
gestoßen war, hielt er für einen Wink des Schicksals. Roberto Clausens
Erpressung sollte ein Dauerzustand werden. Dieser Großkotz, dachte Wilson, wird
meine Leibrente.
Aber er gab sich keiner
Illusion hin. Er schätzte Roberto richtig ein. Der Mann würde kämpfen. Und er,
Wilson, fragte sich, was er an Robertos Stelle zuerst tun würde.
Ihm Schläger auf den
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