Gekauftes Spiel
Unzuverlässigkeit. Er tritt nicht mehr auf. Aber es heißt, er
treibe sich in der Unterwelt rum. Genaues weiß man nicht. Er hat keine
Vorstrafen, wurde auch noch nie festgenommen. Es gibt also keine Akte über ihn
und man konnte auch keine Adresse feststellen.«
»Wie heißt er?«
»Jack Milburn.«
»Ein Hooligan?«
»Weiß man nicht.«
»Wie viele Hotelbetten gibt’s
in unserer Millionenstadt?«
»Sehr viele, Häuptling. Aber
wir leben im Zeitalter der Computer. Auch die kleinste Pension verfügt über
einen PC und Internet. Und das Präsidium hat natürlich sofort eine Art
Fahndungsschreiben losgeschickt. Im Allgemeinen sind diese Rundfragen zu 95
Prozent zuverlässig. Diesmal war das Ergebnis leider negativ, aber die
Fünf-Prozent-Chance besteht noch.«
»Oder der Mann wohnt privat.«
»Du sagst es. Außerdem, Tim,
hat Papi ein Foto von ihm. Die britischen Kollegen haben es abfotografiert von
einem Plakat aus dem Archiv des Rainbow-Theatre. Es ist natürlich kein
Passfoto, sondern ein stark geschöntes Konterfei (Abbild). Aber die
Kustermanns sagen, dass es ihm ähnelt. Ich finde ihn hässlich.«
»Du hast es gesehen?«
»Klar doch. Dieser Milburn ist
so um die fünfzig, sein Gesicht derb und knochig. Er hat sehr tief liegende
Augen. Das macht ihn finster.«
»Du würdest ihn erkennen?«
»Bestimmt.«
»Weißt du, was ich denke, Gaby?
Eher in unserer Riesenstadt ist die Chance, dass du ihm begegnest, gering. Aber
wenn der Typ und seine Kumpane — denn die hat er ja — dicht dranbleiben an
Jonathan Fender, dann wissen die Hoolis Bescheid, sind informiert über den
Tapetenwechsel der Familie. Das heißt, die Szene wird sich verlagern. An den
Lamia-See. Dort im Tal hausen nur ein paar hundert Einheimische. Und natürlich
viele Touristen. Verglichen mit hier ist das eine kleine Welt. Unsere Chance,
Milburn zu treffen, wird gigantisch. Kannst du nicht Wespe bitten, dass er von
dem Milburn-Konterfei eine Kopie für uns macht?«
Wespe ist der Spitzname für
Kriminalassessor Bienert. Kommissar Glockners engster Mitarbeiter ist
bekanntlich ein total ausgeflippter Nachwuchskriminalist und sieht sich als
älterer Bruder von TKKG. Oft schon hat die Hotline zwischen ihm und den vier
Schnüffelnasen festgefahrene Ermittlungen mit Erfolg gekrönt.
»Ist schon in Auftrag«,
erwiderte Gaby. »Morgen kriegen wir’s. Aber jetzt sollten wir uns endgültig der
Nachtruhe zuwenden. Allerletztes Bussi für heute, Tim. Ist es angekommen?«
11.
Geplanter Überfall
Ungefähr 24 Stunden später war
die Abendsonne hinter die westlichen Bergriesen gesunken und die Schatten im
Lamia-Tal kühlten ab und nahmen violette Farbtöne an. Auf dem See glitten noch
ein paar Surfer mit dem mäßigen Wind. Auf der Uferstraße wurde es ruhiger. Die
Fahrer vertauschten den Autositz mit dem Stuhl am Esstisch und füllten sich die
Wampe mit Pasta-Gerichten, italienischen Soßen und Frischfisch aus dem See.
Besonders eine schmackhafte Forellenart wurde hier häufig herausgeangelt.
Mario Clausen und sein Vater
Roberto saßen auf der Terrasse der Clausen-Villa. Die Geräusche aus den Orten,
die den See übergangslos umgeben, ohne ihn dank der vielen Grünflächen zu
ersticken, drangen nur schwach herauf. Am deutlichsten war hier das Läuten der
Kirchenglocken zu hören. Die von Balsano verstummte soeben.
Roberto trank Rotwein aus einem
bauchigen Glas, Mario hielt sich an Acqua minerale (Mineralwasser). Der
Tiroler Panter war hochgewachsen und schlank, hatte einen eher dunklen Teint,
hellgrüne Augen und rabenschwarzes Haar, das er privat als gegelte Mähne und im
Spiel als kurzen Pferdeschwanz trug.
Das Spieler-Team des AC Avanti
war im Laufe des Nachmittags eingetroffen. Und hatte Quartier genommen in einem
Nobelhotel, das der deutsche Coach Friedhelm Bolz, der in seiner aktiven Zeit
einen passablen Torwächter abgegeben hatte, seit Jahren bevorzugte. Die
Spieler, die schon länger dabei waren, erhielten immer dasselbe Zimmer. Ein
gepflegter Fußballplatz war ganz in der Nähe, zum Golfplatz musste man 30
Kilometer fahren.
Bolz hatte gestattet, dass
Mario in seinem Elternhaus übernachten konnte, wann immer er wollte. Auf Mario
war Verlass, er würde keine alkoholischen Exzesse (Ausschweifungen) feiern und auch sonst nicht über die Stränge schlagen.
Mario setzte sein Glas ab.
»Sollen wir ihn umbringen, Vater?«
»Was?!«
»War nur ein Witz.«
»Wenn Wilson heute tödlich
verunglücken würde, hätte ich ihn morgen
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