Gekauftes Spiel
der ersten Reihe — keine
Engagements mehr erhalten. Seine Stimme konnte er verändern nach Wunsch. Vom
hungrigen Geschrei eines Säuglings bis zum vollmundigen Politgeschwafel des
amtierenden Regierungschefs hatte er alles drauf.
Keane und Milburn waren
Fußballfanatiker. Die gibt es in jedem Land und die hat jeder Club, aber Keanes
und Milburns seelische Heimat war der FC Smogmoor. Ihr Hass galt allen anderen,
aber besonders dem AC Avanti.
Milburn hatte das
17.30-Uhr-Gespräch mit Fender geführt. Ziemlich wortgetreu wiederholte er
dessen Vorlesung über die wahren Motive der Fanatiker. Keane hatte sich
amüsiert. Pitcher, der gerade einen Kronenkorken von der fünften oder sechsten
Bierflasche runterbiss, spuckte verächtlich auf den Boden.
Sie saßen im Wohnraum der
Villa, die Pitcher möbliert gemietet hatte. Eine breite Terrassentür, ganz aus
Glas, schuf Verbindung zum Garten. Er war etwas verwildert und hatte einen
kleinen Teich, in dem nachts die Frösche quakten.
Keane störte das nicht. Pitcher
war meistens zu betrunken, als dass er das Froschkonzert gehört hätte. Aber
Milburn, der immer bei geöffnetem Fenster schlief, rastete aus. Mehrfach war er
in suppendicker Dunkelheit in den Garten gerannt, bewaffnet mit einem Knüppel,
um die Frösche zu erschlagen. Er hatte keinen einzigen erwischt. Stattdessen
war er in den Teich gefallen und hätte beinahe um Hilfe geschrien, denn er
konnte nicht schwimmen. Aber der Teich war nur hüfttief und er konnte sich
retten. Wobei er allerdings seine Pyjamahose verlor und im Dunkeln nicht mehr
fand. Am nächsten Morgen trieb sie, weißlila gestreift, auf dem Tümpel, und
Milburn musste sich tagelang den Spott seiner Kumpane anhören.
Er war mit 51 Jahren der
Älteste, mittelgroß und hager, aber spitzbäuchig. Er hatte ein grobes Gesicht
mit tief liegenden Augen, und es passierte häufig, dass er sich bei
löwenartigem Gähnen den Kiefer ausrenkte. Auch wenn kein Grund dazu bestand,
wechselte er die Stimme. Heute hatte er ständig genäselt.
»Tja«, sagte Pitcher und
rülpste, »ist unser letzter Tag in dieser Bude. Hat mir gefallen, obwohl sie
nicht mir gehört, hähä. Kommt selten vor, dass ich was mieten muss. Wo ich auch
bin in Europa — bestimmt gibt’s da ’ne Hütte, die mir gehört.«
»Oder einen Stadtteil«, grinste
Keane, »oder einen Palast.«
»Dein Haus in Lamia-Balsano«,
näselte Milburn, »kennen wir noch nicht.« Damit meinte er Keane und sich.
»Ist nichts Besonderes«, wehrte
Pitcher ab, »acht Zimmer, drei Bäder, Pool, 3000 Quadratmeter Park und ’ne
Doppelgarage in der Nähe des Hauses. Mein Vater hat’s gekauft und dort oft
Ferien gemacht. Mit seiner dritten und seiner vierten Frau. Meine Mutter lebte
schon nicht mehr. Na ja, nun sind alle über den Jordan.«
Pitcher sah Keane an. »Dass die
Fenders morgen an den Lamia-See düsen, ist sicher?«
»Absolut!«, nickte Keane. »Der
Mann, der bei Fender den Rasen mäht, sagt es. Die Kfz-Lehrlinge in seiner Firma
sagen es. Der Postzusteller weiß es. Die Familie macht kein Geheimnis daraus.
Sie haben ja dort ein Ferienhaus. Etwas bescheidener als deins, aber sie nutzen
es gern.«
Pitcher grinste und öffnete die
nächste Flasche Bier, wieder mit den Zähnen. »Dort machen wir ihn fertig, den
verdammten parteiischen Pfeifenheini.«
»Du willst auch die Avantis aufmischen?«
»Die auch. Die besonders.«
»Ich bin mir ziemlich sicher,
dass Mario Clausen und Evelyn Fender zusammenhängen.«
Pitcher schnaubte. »Na gut! Ein
Indiz mehr, dass der Schiri parteiisch pfeift. Aber es reicht nicht, um sie
öffentlich fertig zu machen. Wenn Fender schlau ist — und er ist schlau — ,
würde er sich bei Bekanntwerden der Beziehung entsprechend verhalten. Keine
Spiele mehr pfeifen, bei denen Evelyns Lover mitbolzt. Geht leicht. Die Avantis
sind ja nicht jeden Tag auf dem Rasen. Aber keine Sorge! Uns fällt das Richtige
ein.«
In diesem Moment tirilierte
Keanes Handy.
*
Wilson hatte kein Licht
gemacht, obwohl es jetzt dunkel war rund um die Casa Corto. Nur Richtung
Lamia-Balsano schimmerten Lichter auf, und hinter dem Geyerkopf schob sich ein
blassgelber Vollmond herauf. Die untere Rundung schien den Berggipfel zu
berühren, der gezackt war und schartig.
Wilson saß am offenen Fenster
und hatte sein Handy am Ohr. Der Geruch von frischem Zement drang von draußen
herein. In der Dunkelheit war der Pick-up ein konturenloser, ungefüger Klotz,
der tonnenschwer auf der Totengruft
Weitere Kostenlose Bücher