Geklont

jedes andere Kind in Reseunes Fluren hatte gehört, wie überragend Ari und daß sie etwas Besonderes sei, weil die Mütter und Väter im Personal wußten, daß beruflich ihre Köpfe rollen würden, wenn ihre Kinder das hohe Ansehen von Olgas kostbarer Ari trüben würden.
    In jenen Pioniertagen auf Cyteen, als Intellektuelle, die vor den Visagesetzen des Erdkonsortiums flüchteten, sich auf einem Planeten sammelten, der das ferne Ende des Weltraums bezeichnete, und die Cyteen-Station gründeten, hatte es in der Stationsmesse so von abtrünnigen politischen Theoretikern, berühmten Physikern, Chemikern und legendären Forschungsreisenden gewimmelt, daß die Leute mit der Herrichtung der Toiletten nicht nachkamen; die Rejuvenilisierung war eine neue Entwicklung, Reseune wurde eingerichtet, um daran zu arbeiten, Boks Physik schrieb die Lehrbücher um, und Spekulationen und abwegige Theorien nahmen Leute gefangen, die es hätten besser wissen müssen. Und Olga Emory war ein brillanter Kopf mit einem Instinkt für interdisziplinäre Entwicklungen, aber in ihren seelischen Fundamenten schienen sich einige Außerirdische eingenistet zu haben.
    Ganz zu schweigen von James Carnath, den noch ganz andere heimsuchten, und der von dem Tag, als er herausfand, daß sein Ende bevorstand, entschlossen war, mit Olga ein Kind zu zeugen, das Bok übertreffen sollte.
    Weshalb sie alle letztlich in diesem Raum und bei diesem Projekt gelandet waren.
    Deshalb mußte sie alles auf Olgas Art tun. Setz dich gerade hin, Ari! Sei ruhig, Ari! Mach deine Hausaufgaben, Ari! - zwicken und meckern.
    Bis sie Ari den Azi-Pflegerinnen aufhalsen konnte, wie sie es mit Julia getan hatte. Im Nachhinein hatte sie beachtliche Gewissensbisse deswegen.
    Vom elterlichen Desinteresse abzuweichen, würde Ari verändern. Eine gewisse Nachlässigkeit mußte sein. Es war etwas Schreckliches, in der Rückschau die eigenen Fehler zu erkennen. Sich in Olga einzuarbeiten, war wie ein Blick in einen viel zu verräterischen Spiegel gewesen. Giraud hatte recht gehabt. Es tat verdammt weh, mit hundertzweiunddreißig Jahren dahinterzukommen.
    Bis zu diesem Tag hatte sie nicht mehr mütterliche Zuneigung empfunden als für jedes andere Erzeugnis des Labors ... oder für die beiden Azis, mit deren Geburt die beiden Gehilfen am anderen Ende des Raums beschäftigt waren. Im Falle Aris, ungeachtet der Erfahrung mit einer Tochter und zweiundfünfzig Jahren Umgang mit Studenten, sollte es eine Frage des folgenden Programms sein. Zum Besten des Kindes. Sie hatte Ari Emory respektiert, und, zum Teufel, wenn sie an ihr scheiterte, war das alles, was von ihrer Achtung für Reseune übrigbleiben würde. Mit hundertzweiunddreißig. Sie haßte Versager. Sie haßte Nachsichtigkeit und verschwommenes Denken.
    Es war immer noch verdammt hart, Julia anzusehen und zu erkennen, welch eine Versagerin aus ihr geworden war - sie baute bei der Arbeit ständig Mist, verzog ihr jüngstes Kind bis zum Gehtnichtmehr und ließ sich mit einem Mann nach dem anderen ein - und zu wissen, daß es teilweise an den Genen lag und teilweise Janes Schuld war. Dieselbe Nachlässigkeit, dasselbe Herumgenörgle, von dem sie jetzt zugeben mußte, daß sie es Julia zugemutet hatte, war ein wesentlicher Bestandteil von dem, was Ari in Gang brachte. Die Psychosets und die Genetik arbeiteten.
    Vielleicht das falsche Kind und die richtigen Eltern. Oder umgekehrt.
    Eine furchtbare Macht, die die Natur ausübte.
     
    II
     
    »Sie sind alle in guter Verfassung«, sagte Petros Ivanov.
    »Das ist wunderbar. Wirklich wunderbar.« Denys nahm einen Happen Fisch und noch einen. In einem Speisezimmer der Verwaltung fand hinter Vorhängen, die vor die versiegelten Fenster des Beobachtungsdecks gezogen waren, ein privates Essen statt. Die Wettermacher ließen es wie erbeten regnen, ein heftiger Wind blies, und Wasser rann die Fenster hinunter. Die Atmosphäre würde für etwa einen Tag unbeständig bleiben. »Zum Teufel mit Giraud. Natürlich wird alles gutgehen, sagt er, und haut in die Hauptstadt ab. Und es würde mich wundern, wenn er angerufen hat.«
    »Bisher folgt alles dem Schema. Die Azis entsprechen völlig der Norm. Das Programm mit ihnen läuft schon.«
    »Mit Ari auch.«
    »Strassen hat sich über die Oberpflegerin beschwert.«
    »Was gibt's sonst Neues?«
    »Sie sagt, sie sei dickköpfig und mache ihr Personal nervös.«
    »Eine dickköpfige Azi. Das heißt, daß die Azi sich genau an die Anweisungen hält und Jane