Geklont
begleitete ihn Personal bei alltäglichen Erledigungen. Mit Sicherheit war Jordan Warrick in keiner kommerziellen Maschine eingetroffen, und bestimmt hatte niemand von der Gepäckabteilung diese Aktentasche in die Hände bekommen.
Emory war eine Sonderperson. Es gab drei bei Reseune, die größte Anzahl in einer einzelnen Einrichtung. Zu ihnen gehörte dieser Mann, der Psychobandstrukturen, wie behauptet wurde, im Kopf entwarf und überarbeitete. Wenn ein sehr wichtiges Bandprogramm entwickelt oder bearbeitet werden mußte, gaben sie es Jordan Warricks Leuten, und wenn ein Problem auftrat, mit dem einzelne oder alle von ihnen nicht fertig wurden, ging es an Warrick selbst. Soviel begriff Corain davon. Der Mann war ein beglaubigtes Genie und ein Schützling des Staats. Wie Emory. Wie die anderen zwölf Sonderpersonen.
Und wenn Emory diesen Status einem zwanzig Jahre alten Chemiker auf Fargone verschaffen und, wie die Gerüchte verlauteten, dort ein Büro eröffnen wollte, um ihn dem Personal von Reseune anzuschließen, und wenn sie gleichzeitig vorzuhaben schien, diesem Projekt einen Vorrang einzuräumen, der seinen Wert etwa in die Maßstäbe ihres mit Eifer betriebenen Kolonisierungsvorhabens hob, dann gab es dafür wahrscheinlich verdammt gute Gründe.
»Ser Lu«, sagte Warrick und schüttelte die Hand, die ihm Lu hinhielt. »Admiral Gorodin. Es ist mir ein Vergnügen.« Und ein besorgter, aber ganz und gar freundschaftlicher Blick, als er Corain bemerkte und ihm die Hand anbot. »Rat Corain. Mit Ihnen hatte ich gar nicht gerechnet.«
Corains Herz machte einen Sprung und schlug etwas schneller. Gefahr, warnte es. Warrick, erinnerte er sich, war keiner dieser hellen Köpfe, die in irgendwelchen nebligen Reichen der abstrakten Logik agierten, die dem Rest der Menschheit nicht zugänglich waren; er war ein Psychochirurg, seine Arbeit bestand im Manipulieren, und wenn er Menschen bis auf ihre tiefsten Beweggründe entblößte, war er ganz in seinem Element. All das verbarg sich hinter dieser nüchternen Freundlichkeit und diesen Augen, die jünger als vierzig wirkten.
»Sie haben vielleicht schon vermutet«, sagte Lu, »daß es hier um mehr geht, als ich Ihnen gesagt habe.«
Warricks Gesicht drückte eine Spur von Besorgnis aus.
»Rat Corain wollte Sie sehr dringend sprechen - ohne allgemeine Aufmerksamkeit zu erregen. Dies ist eine politische Angelegenheit, Dr. Warrick. Es ist sehr wichtig. Wenn Sie natürlich lieber das andere Treffen besuchen möchten, zu dem Sie sonst zehn Minuten zu spät kämen - wir hätten Verständnis dafür, daß Sie sich nicht mit unseren Fragen auseinandersetzen wollen, und ich hoffe, Sie würden in diesem Fall meine persönlichen Entschuldigungen annehmen. Es ist mein Beruf, verstehen Sie, ein Hang zu Intrigen.«
Warrick atmete tief durch, trat ein paar Schritte zum Konferenztisch zurück und stellte seine Aktentasche darauf. »Hat es etwas mit der Rätin zu tun? Macht es Ihnen etwas aus, mir die Sache zu erklären, bevor ich mich entscheide?«
»Es geht um den nächsten Antrag. Der Antrag zur Bewilligung von Geldern aus dem Wissenschaftsamt.«
Warricks Kopf hob sich nur so wenig, als wollte er ›Aha‹ sagen. Ein leichtes Lächeln überflog sein Gesicht. Er verschränkte die Arme und lehnte sich gegen den Tisch, in jeder Hinsicht ein entspannter Mann. »Was ist mit dem Antrag?«
»Was steht drin?« fragte Corain. »In Wirklichkeit?«
Das verstohlene Lächeln wurde breiter und verhärtete. »Sie meinen, was verbirgt er? Oder etwas anderes?«
»Hat... - was er verbirgt - hat das auf irgendeine Weise mit dem Hope-Projekt zu tun?«
»Nein. Nichts in dem Budget hat damit etwas zu tun. Nichts, wovon ich wüßte. Nun, es wird nach nicht-menschlichen Intelligenzen gesucht. Aber das ist ziemlich allgemein.«
»Was ist mit der Ernennung zur Sonderperson? Ist Reseune daran interessiert?«
»Das könnte man sagen. Wollen Sie etwas über Fargone im allgemeinen wissen?«
»Ich bin an allem interessiert, was Sie zu sagen haben, Dr. Warrick.«
»Ich kann mir die zehn Minuten Zeit nehmen. Ich brauche noch nicht einmal so lang, um Ihnen zu erklären, was vor sich geht. Ich kann es Ihnen in einem Wort sagen. Psychogenese. Seelen-Cloning, wie es die Boulevardpresse nennt.«
Das war nicht die Antwort, die Corain erwartet hatte. Es war mit Sicherheit nicht das, was das Militär erwartete. Gorodin schnaubte verächtlich.
»Was steckt dahinter?«
»Nichts steckt dahinter«, erwiderte
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