Geklont

vorsichtig mit ihm, wie er mit ihr, ließ sich zu keiner unvorhergesehenen Reaktion hinreißen: In dieser Hinsicht hatte er in sie auch mehr Vertrauen.
    Sie fügte ihm keinen einzigen Kratzer zu. Ganz im Gegensatz zur Sera.
    Schließlich war er fertig; und sagte außer Atem: »Mehr kann ich jetzt nicht, Catlin. Entschuldige. Es war das zweite Mal hintereinander für mich. Ich bin furchtbar müde.«
    Sie war einen Moment lang still, selbst außer Atem. »Das war schon gut.« In diesem nachdenklichen Ton, den sie anschlug, wenn ihr etwas gefiel.
    Aus diesem warmen Gefühl heraus umarmte er sie. Sie begriff nicht immer, warum er solche Dinge tat. Er nahm nicht an, daß sie es diesmal ganz begriffen hatte, nur daß es ein vorübergehender Reflex war, eine sexuelle Angelegenheit, aber als er sie auf die Stirn küßte und sagte, er ginge jetzt besser wieder in sein eigenes Bett:
    »Du kannst ruhig hier bleiben.« Und schmiegte sich in seiner verwirrten Stimmung an ihn und schenkte ihm etwas Geborgenheit, die es ihm leichter machte, nicht zu gehen.
    Sie mußten ohnehin vor der Sera aufstehen.
     
    VI
     
    Das Signal des Automatischen Haushälters weckte Ari auf, und sie blieb noch für einen Moment liegen und erinnerte sich, was sie letzte Nacht getan hatte.
    Ein wenig erschrocken. Ein wenig verletzt. Es war nicht ganz so wie auf den Bändern gewesen - eben so wie im richtigen Leben, ein bißchen ungeschickt. Aber von irgend jemand hatte sie gehört - vom Band, vermutete sie -, daß dergleichen vorkam; selbst Sex erfordert Übung.
    Sie waren nun einmal zwei Zwölfjährige, nicht ganz dreizehn. Und das war sehr jung. Ihr Körper war noch nicht ganz ausgewachsen, Florians auch nicht. Sie wußte, daß das etwas ausmachte.
    Das hatte sie vom Band erfahren. »Bezieht sich Ari irgendwo auf Sex?« fragte sie die Basis Eins.
    Aber Basis Eins rief denselben Text auf wie immer, und sie hatte ihn so oft gelesen, daß sie ihn auswendig kannte.
    Sie hatte sich völlig unverantwortlich benommen, das machte ihr zu schaffen. Sie hätte den beiden weh tun können, und das Schlimmste war, daß sie immer noch dazu fähig war: Sie war auch an diesem Morgen noch aufgekratzt - zwar sehr viel cooler und ruhiger, aber Sex war wie das Band, man erinnerte sich schwer daran, was für ein Gefühl das in der Minute danach gewesen war, ein fauler Zauber, der nur Neugier zurückließ, etwas in der Art wie eine Wunde, an der ein Idiot immer wieder herumkratzte, um festzustellen, ob sie noch schmerzte.
    Man vergaß viele Dinge sehr leicht, wenn das anfing.
    Zum Beispiel seine Verantwortlichkeit. Die Leute, auf die man aufpassen mußte.
    Sogar wer man war.
    Ari senior hatte recht. Es machte einen wirr im Kopf. Es konnte leicht die Kontrolle über einen übernehmen.
    Beim Sex bist du am verwundbarsten. Wenn du deinen Verstand einsetzt, am wenigsten.
    Diese verdammten Schüsse! Sie bearbeiten mich, das machen sie, sie bearbeiten mich und ich kann's nicht verhindern. Dr. Ivanov kann mir meine Lizenz entziehen, wenn ich sie nicht nehme, und ich weiß, was sie tun, verdammt noch mal!
    Dieses Zeug ist noch immer in meinem Blutkreislauf. Ich kann's immer noch spüren. Die Hormone drehen durch.
    Und ich will Florian immer noch hier haben und es noch mal mit ihm versuchen, ich Idiotin.
    Du Idiotin, Ari Emory, du verdammte Idiotin!
    »Geht's dir gut?« fragte sie Florian, als sie ihn vor dem Frühstück im Flur beiseitenahm. Vorsichtig. Paß auf, was du tust. Das war das einzige Gegenmittel.
    »Ja, Sera«, antwortete Florian und sah dabei ängstlich aus - vielleicht weil er allein aus der Küche und ans Ende des Flurs gezogen und gegen die Wand gedrückt worden war, vielleicht weil er glaubte, sie würden es noch einmal machen.
    Beruhige dich. Bring ihn nicht durcheinander. Du hast genug angestellt, du Verrückte. Sie konnte Mama hören, ganz deutlich hören, wenn sie etwas Dummes machte - Verdammt, Ollie! »Bist du dir sicher? Sag das nicht, nur um mich zu beruhigen, Florian. Wenn ich etwas Falsches getan habe, sage es mir.«
    »Es geht mir gut.« Er atmete tief durch. »Aber, Sera... Catlin und ich ... sie ... ich... Sera, ich habe letzte Nacht es auch mit ihr gemacht. Wir ... wir haben auch Sex gemacht. Als wir es machten, fanden wir es nicht schlimm. Das war es auch nicht - oder?«
    Ein Hormonschub. Schlechte Laune. Panik. Sie spürte, wie ihr Atem sich beschleunigte, verschränkte die Arme, drehte sich um und betrachtete einen Moment lang den Fliesenfußboden,